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Schwyz

Zwei Hölzchen trotzen der Digitalisierung

Das Chlefele wurde vom Bund offiziell als Kulturerbe anerkannt. Woher es kommt, weiss niemand. Dass heute noch unzählige Schulkinder die zwei Holzbrettchen zum Klappern bringen, ist auch das Verdienst von Röbi Kessler.
Meister der Chlefeli: Röbi Kessler in seiner Werkstatt. (Bild: Roger Grütter, Schwyz, 13. Juli 2018)

Stepahanie Zemp

Dass das Chlefele nicht ausgestorben ist, sei dem Schokoladenfabrikanten Max Felchlin zu verdanken. «Hätte er 1964 nicht das ‹Priis-Chlefele› ins Leben gerufen, würde heute niemand mehr chlefelen», ist Röbi Kessler überzeugt. Auch Kessler selbst hat einiges dazu beigetragen, dass dieses Brauchtum nach wie vor gelebt wird. Vor kurzem wurde es ins Webinventar der «Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz» aufgenommen.

Röbi Kessler ist seit seiner Kindheit mit den Holzbrettchen verbunden. Begonnen hat er – wie wohl alle Kinder in der Umgebung von Schwyz – während der Fastenzeit auf dem Schulweg. Auch am «Priis-Chlefele», das jeweils eine Woche vor Karfreitag stattfindet, nahm er teil. Als Jugendlicher trat er einer Trachtengruppe bei, in der er mit den Chlefeli musizierte. «Ich habe nie damit aufgehört», sagt Kessler heute.

Mit 270 Holzarten experimentiert

Als der Mann, bei dem Kessler seine Chlefeli bezog, die Produktion einstellte, richtete sich der Schwyzer zu Hause eine Werkstatt ein und begann, aus groben Holzstämmen fein geschliffene Chlefeli herzustellen. In seiner Sammlung finden sich mittlerweile über 270 Holzarten. «Jedes Holz tönt anders», berichtet der 59-Jährige, «weiches Holz, zum Beispiel Erle, hat einen weichen Klang, Holz aus Fruchtbäumen oder Eiche eher einen harten.» Lange hat er an der perfekten Form gefeilt, nun stellt er alle seine Chlefeli nach demselben Muster her. Von weitem sehen sie aus wie zur Seite blickende Männchen mit Hut. Dieses abgerundete «Chöpfli» ist Kesslers Markenzeichen.

Die Hölzchen werden in der Regel zweihändig gespielt: Links und rechts klemmt man eines zwischen Zeige- und Mittelfinger und das andere zwischen Mittel- und Ringfinger. Das vordere wird fix, das andere lose gehalten. Nun gilt es, mit schnellen, drehenden Armbewegungen die Hölzchen zum Klappern zu bringen. So weit, so simpel. Damit es gut tönt, braucht es jedoch viel Übung. «Viele unterschätzen es», weiss Kessler, der in Kursen regelmässig Kinder und Erwachsene in die Kunst des Chlefele einführt. «Man kann das Spielen nicht an zwei Abenden erlernen – das ist bei jedem anderen Instrument auch so», bemerkt der Experte. Eine korrekte Haltung, Rhythmik und Fingerfertigkeit seien entscheidend.

Das Schlaginstrument hat in den Sechzigerjahren auch Eingang in die Volksmusik gefunden. Dass das Chlefele auf die Liste der lebendigen Traditionen kam, liegt aber an den Schwyzer Schulkindern: Das von Felchlin initiierte «Priis-Chlefele» verlor in den Neunzigern an Zulauf. «Die Zahl der Teilnehmenden schwand auf etwa 60», blickt Kessler zurück. Deshalb hat er 2002 mit anderen Chlefeli-Begeisterten aus Schwyz den Verein «S’Chlefele läbt» gegründet. Sie zügelten den Wettkampf vom Schulhaus ins Tagungs- und Kulturzentrum Mythen-Forum, führten einen Final ein und umrahmten ihn mit einem Unterhaltungsprogramm. Im Vorfeld besucht der Vorstand die Schulklassen in der Gemeinde Schwyz und Umgebung und vermittelt ihnen die Grundtechnik. Danach kommt das Entscheidende: «Die Kinder chlefelen ganz nebenbei, auf dem Schulweg oder auf dem Pausenplatz», schildert Kessler. Früher durften nur Knaben chlefelen, mittlerweile sind es vorwiegend Mädchen, die dem Brauchtum frönen.

Heute treten wieder rund 200 Kinder beim alljährlichen «Priis-Chlefele» an. Im Laufe der Jahre wurden die Kinder dabei kreativ: «Früher wurden immer dieselben Stücke wie ‹D’Mülleri hed› oder der Ordonnanztanz gespielt, heute studieren die Schüler eigene Stücke ein, spielen links einen anderen Takt als rechts oder im Kanon», beobachtet Kessler. Er staune zuweilen, dass dieses einfache Instrument im Zeitalter der unzähligen digitalen Unterhaltungsmöglichkeiten bestehen könne.

Ursprung unbekannt

Woher diese Tradition kommt, weiss niemand so genau. Es seien kaum schriftliche Zeugnisse vorhanden, erklärt Kessler. Aktuell gäbe es drei Theorien: «Eine vermutet, dass die Chlefeli von den spanischen Kastagnetten abstammen, die von Schwyzer Söldnern hierhergebracht wurden.» Allerdings sei die Spielweise gänzlich anders, weshalb Kessler nicht viel von dieser These hält.

Der zweite Erklärungsansatz bringt es mit den Siechen-Klappern in Verbindung, mit denen sich Aussätzige früher bemerkbar machen mussten, wenn sie ins Dorf kamen. Die dritte Variante geht so: «In den katholischen Orten läuten am Karfreitag keine Glocken, sondern es werden hölzerne Raffeln gedreht. Die Kinder hätten dieses knatternde Geräusch imitieren wollen», erklärt Kessler. Und er fügt lächelnd an: «Mir ist der Ursprung des Chlefele eigentlich egal, Hauptsache ist, dass es noch lebendig ist.» Er glaubt, einen Grund dafür zu kennen: «Die Kinder können dieses Instrument einfach aus Plausch spielen, das macht einen echten Brauch aus.»

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