Die Sommerferien sind mehrheitlich zu Ende. Viele von uns haben ein paar erholsame Tage irgendwo fern der eigenen vier Wände verbracht. Wieder zurück im Alltag, fragen alle: «Und, wie wars in den Ferien?» Super Hotel, gutes Essen und perfektes Wetter, lauten meist die Antworten. Ganz nach dem Sprichwort des deutschen Dichters Matthias Claudius aus dem Jahre 1775: Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.
Dem war eigentlich schon immer so. Die Geschichte und die Geschichten des Reisens sind so alt wie die Menschheit selbst. Die ersten sesshaften Urmenschen verliessen schon zur Nahrungs- und Wassersuche ihre Höhle für mehrere Tage. Waren es anfangs überlebensnotwendige Gründe, um den festen Wohnsitz temporär zu verlassen, begannen in der Antike mit den Wallfahrten der Ägypter, Griechen und später der Römer wohl die ersten richtigen Reisen. Nach dem Niedergang Roms fanden die Völkerwanderungen statt, wie wir in der Schule gelernt haben. Wobei diese Wanderungen ganzer Völker bei heutigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eher umstritten sind.
Nichtsdestotrotz entwickelten sich im frühen Mittelalter ein blühender Pilger-Fremdenverkehr und missionarische Reisen. Tausende Kilometer wurden mühselig zu Fuss zurückgelegt, da Pferdereisen den Privilegierten vorbehalten waren. Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten einfachen Gaststätten und Herbergen. Gesellen wanderten von einem Meister zum anderen quer durch Europa, um ihr Wissen und Können zu vertiefen.
An den Pilgerwegen entstanden Dörfer und Städte, somit wurde auch gehandelt, und die ersten Handelsreisenden waren unterwegs. Marco Polo reiste nach China. Mit den grossen Entdeckern der Neuzeit fingen neben den Eroberungen auch die langen Forschungsexpeditionen und Bildungsreisen an. Der britische Adel begann, seinen Nachwuchs zum Teil für mehrere Jahre auf die sogenannte «Grand Tour» zu schicken, damit dieser fremde Sprachen lernte, Kontakte knüpfte und sich weiterbildete. Der restliche europäische Adel folgte und später auch die Bourgeoisie.
Das bürgerliche Reisen nahm in der Romantik stark zu. Der naturverbundene Zeitgeist dieser Epoche entdeckte die Alpen. Thomas Cook organisierte Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Gruppenreisen und eröffnete kurz darauf das erste Reisebüro. Die ersten Reiseführer kamen heraus. Es folgte die Zeit der Grandhotels der Belle Époque und der ersten Automobile.
Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegsjahre, höherem Einkommen, besseren Arbeitsbedingung mit Ferienanspruch, der Mobilisierung der Gesellschaft, dem Ausbau der Strassennetze und der Zivilluftfahrt in den 50er-Jahren ging es touristisch Schlag auf Schlag zum billigeren Fliegen in den 70ern und zum Aufkommen von Charter-Airlines. Hotelketten, Strandresorts und Clubhotels schossen wie Pilze aus dem globalen Boden. All-inclusive, last minute, Kreuzfahrten und Exotik für alle – die Masse entdeckte die Welt, und die Reiseveranstalter brachten alle überallhin. Erschwingliche Fernreisen zu den entlegensten Orten auf allen Kontinenten – gebucht im Internet – werden zum modernen Lifestyle, der heute mit den Billigst-Airlines in der Tatsache gipfelt, dass wir für eine Nacht nach Ibiza zum Feiern fliegen oder für eine Woche auf die Malediven zum Tauchen. Oder wie wäre es mit ein paar Stunden Weltraumreise?
Kilometer sind keine Distanzen mehr, sondern Flugstunden. Und für die kurze Zeit des Aufenthalts lohnt es sich nicht, sich mit der Kultur des Reiselands zu beschäftigen. Super Hotel, gutes Essen und perfektes Wetter. – «Wo wollen wir nächstes Jahr hin?» – «Nordkorea soll noch schön sein!» Johann Wolfgang von Goethe meinte einmal: «Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.» Tja …?
PS: Trotz Klimawandel und Flugscham wurden gemäss «watson.ch» am 6. Juli innerhalb von 24 Stunden weltweit insgesamt 134 396 kommerzielle Flüge gezählt. Das ist neuer Rekord. Würde man Fracht-, Militär- und Privatflugzeuge dazurechnen, wären es sage und schreibe 250 381 Flüge an einem Tag!