Das Schwyzer Strafgericht hatte den heute 38-jährigen Polizisten im April 2014 wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Der Beamte hatte bei der Kontrolle eines gestohlenen Fahrzeugs am 12. September 2012 bei Rickenbach den Beifahrer erschossen und den Fahrer verletzt.
Im Berufungsprozess am Dienstag hielten sowohl die Anklage wie auch die Verteidigung an ihren bisherigen Argumentationen und Anträgen fest. Neue Beweise liess das Gericht nicht zu. Sein Urteil will das Kantonsgericht den Parteien in den kommenden Tagen schriftlich zustellen.
Die Verteidigung verlangte vergeblich ein Gutachten eines unabhängigen Polizeitaktikers. Der Experte sollte feststellen, ob der angeklagte Polizist tatsächlich taktische Grundsätze verletzt habe, wie es das Strafgericht festgestellt hatte. Es seien vorläufig keine zusätzlichen Beweise notwendig, um das Verhalten des Polizisten beurteilen zu können, sagte aber der Gerichtsvorsitzende.
Armbewegung im Fokus
Im Fokus der Berufungsverhandlung standen mehrere Details aus der Tatnacht. Dazu zählten vor allem das polizeiliche Vorgehen bei der Kontrolle, das Fahrverhalten der kontrollierten Diebe sowie eine rasche Armbewegung des Beifahrers, bevor dieser erschossen wurde.
Die Staatsanwaltschaft, die das Berufungsverfahren angestrengt hatte, blieb bei ihrer ursprünglichen Anklage wegen vorsätzlicher Tötung (eventualiter fahrlässige Tötung) und fahrlässiger Körperverletzung. Sie forderte für den Beamten, der seit dem Vorfall bei der Schwyzer Kantonspolizei im Innendienst tätigt ist, eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten.
Staatsanwalt: Voreilig geschossen
Der leitende Schwyzer Staatsanwalt erklärte, der beschuldigte Polizist habe mehrfach gegen polizeitaktische Grundsätze verstossen und voreilig einen Schuss abgefeuert. Er sagte, dass von den zwei Männern im Bus zu keiner Zeit Gefahr ausgegangen sei und der Polizist dies auch habe annehmen müssen. Der Beschuldigte habe sich daher nicht in einer vermeintlichen Notwehrlage befinden können.
Durch eine überstürzte Fahrzeugkontrolle im Alleingang, ohne auf Verstärkung, die unterwegs war, zu warten, habe der Beamte eine gefährliche Lage heraufbeschworen, sagte der Staatsanwalt. In dieser Situation habe er eine einfache, natürliche Armbewegung des Beifahrers nicht mehr richtig deuten können. Als er einen Schuss auf einen mutmasslichen Dieb abfeuerte, der weder ihn angegriffen hatte noch auf der Flucht war, habe er Recht und Dienstbefehl krass verletzt.
Der Staatsanwalt machte im erstinstanzlichen Urteil aus seiner Sicht mehrere Diskrepanzen aus. So sei die Handbewegung des späteren Opfers in der Urteilsbegründung unterschiedlich und damit widersprüchlich interpretiert worden. Zudem kritisierte er, dass der Polizist nur 25 Prozent der Verfahrenskosten übernehmen soll, obschon er in praktisch allen Anklagepunkten für schuldig befunden worden war.
Angeklagter: «Fühlte mich bedroht»
Der 38-jährige Beschuldigte bekräftigte während der kurzen Befragung vor den Kantonsrichtern erneut, bei der tödlichen Kontrolle keinen polizeitaktischen Fehler begangen zu haben. Er verlangte einen Freispruch.
«Ich fühlte mich durch die schnelle Armbewegung des Beifahrers bedroht und habe mich zur Wehr gesetzt», sagte der beschuldigte Polizist. Er sagte, die Tat tue ihm aufrichtig Leid und beschäftige ihn täglich.
Der Verteidiger wies die Darstellung der Anklage zurück, wonach der Polizist die Kontrolle unüberlegt und eigenmächtig durchgeführt habe. Es sei in der Tatnacht in der Zentralschweiz ein relativ grosses Dispositiv mobilisiert worden, um mutmassliche Fahrzeugdiebe aus Schattdorf in einem VW-Bus zu verfolgen.
Das Vorgehen bei der Kontrolle des Fahrzeugs in Rickenbach sei in den wesentlichen Punkten mit dem Patrouillenkollegen und der Einsatzzentrale abgesprochen gewesen, sagte der Verteidiger. Er zitierte in seinem Plädoyer Funksprüche, die dies belegen würden.
Der beschuldigte Beamte ging bei der Verfolgung der mutmasslichen Täter mit seinem Kollegen davon aus, dass es sich bei diesen möglicherweise um Mitglieder einer gewaltbereiten, auf Luxusautos spezialisierten Diebesbande handelte, wie der Anwalt sagte.
Der Staatsanwalt wurde bei seien Anträgen durch die Angehörigen des getöteten Beifahrers und des verletzten Fahrers unterstützt. Die Eltern des Getöteten verlangten in einem Brief, der von ihrem Anwalt auf Englisch verlesen wurde, 500'000 Franken als Entschädigung.
sda