Haben Sie schon einmal irgendwo online einen Artikel kommentiert, an einer Kundgebung teilgenommen oder auf Social Media Ihren Gefühlen freien Lauf gelassen? Und, hat es etwas gebracht? Hat sich was geändert? Hat sich die Situation verbessert? Nicht? Wenn Sie das gewusst haben, warum haben Sie es dann getan? Als Journalistin gehört es zu meinem Beruf, Fragen zu stellen. Und ganz wichtig: Ich meine diese Fragen nicht sarkastisch.
Als Journalistin habe ich es natürlich gerne, wenn sich Menschen online oder per Leserbrief über etwas aufregen. Oder wenn irgendwo wieder einmal eine Demonstration stattfindet. Dann gibt es Emotionen, und Menschen übermitteln (meistens) gerne ihre Botschaften, dafür sind sie ja auf der Strasse. Im Kanton Schwyz ist das aber nicht so häufig der Fall. Heisst das, wir sind zufriedener mit unserer Regierung, mit dem Staat oder mit dem System als zum Beispiel die Luzerner oder Zürcherinnen? Ich selber war privat noch nie an einer Demonstration. Irgendwie finde ich das schade. Gefühlt jedes Mal, wenn in Schwyz oder in der Region eine Kundgebung war, war ich am Arbeiten, nicht einmal am Frauenstreiktag habe ich mitgestreikt. 28 Jahre nach dem ersten Frauenstreik war 2019 wieder einer, und ich war nicht dabei. Ich habe aber darüber berichtet. An x Demonstrationen war ich mit der Kamera mittendrin. Am internationalen Frauentag in Zürich, an der 1.-Mai-Demo in Luzern, an der Corona-Demo in Rapperswil, Olten oder Konstanz, am Klima-Protest auf dem Bundesplatz und an der Ukraine-Friedensdemonstration in Bern. Jedes Mal habe ich die Menschen gefragt, warum sie mitmachen, was ihre Botschaft ist und ob sie denken, dass ihre Art von Zeichensetzung etwas bewirken kann.
Warum schreibe ich darüber? Ich denke, in Zeiten von anonymen, hässigen Kommentaren im Internet möchte ich Menschen dazu ermutigen, ihre Meinung weiterhin kundzutun, aber nicht anonym, sondern mit Namen und Gesicht hinzustehen, auch mal öffentlich. Nur so werden diese Gedanken und diese Kritik wahrgenommen, ernst genommen. An den Demonstrationen habe ich mit vielen Teilnehmenden gesprochen, viele haben mich ignoriert oder mit hässig-arroganten Blicken abgekanzelt. Dennoch habe ich viele gute Gespräche geführt, kluge Argumente gehört und leidenschaftliche Menschen kennengelernt. Menschen, die eben öffentlich und offen und nicht anonym ihren Kommentar abgeben.
Liebe Leserinnen und Leser, seien Sie mutig. Schreiben Sie weiter über falsche Entscheidungen und Ungerechtigkeiten. Schreiben Sie Leserbriefe, kommentieren Sie online, oder, mal was ganz Spezielles, geben Sie ein Interview! Vielleicht ändert sich etwas. Auch Politiker und Politikerinnen lesen die Zeitung und Ihre Briefe.
Ich schweife noch kurz ab: Auch wenn ich nicht am diesjährigen oder am letztjährigen Frauenstreiktag dabei war, haben mich solche Tage immer beeinflusst. Im Herbst sind Wahlen, da kann ich mich für uns Frauen einsetzen. Im Geschäft kann ich Frauen für höhere Positionen vorschlagen, oder ich kann mich als Journalistin für mehr weibliche Protagonistinnen einsetzen. Ausserdem kann ich mich privat für Musikerinnen oder Unternehmerinnen entscheiden.
Und ich schweife nochmals kurz ab, denn irgendwie erinnere ich mich an eine Demonstration in Muotathal, wo es um ein Trottoir ging beziehungsweise um dessen Verlängerung. In meiner Erinnerung sind wir mit der Schule (?) unterwegs gewesen, lautstark. Diese Erinnerung habe ich mit anderen Muotathalerinnen besprochen, aber die Recherche ging ins Leere (wie so viele andere Recherchen). Ich bin mir also nicht mehr so sicher, ob ich das geträumt habe oder ob ich wirklich als Kind mal an einer Demonstration dabei war, wenigstens an einer.