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Gelebte Demokratie

Viele Zeitgenossen haben sich politisch längst auf die bequeme Zuschauertribüne zurückgezogen. Sie schauen dem Zeitgeschehen zu und äussern sich gelegentlich hinter vorgehaltener Hand oder im privaten Kreis mit einer kritischen Bemerkung. Aber nur schon das Mitunterzeichnen in einem Aktionskomitee für oder schon gar nicht gegen eine Behördenvorlage oder eine Meinungsäusserung in einem Leserbrief wird mit allerlei Ausreden dankend abgelehnt. Die Anfrage für ein aktives Mitmachen in einer Behörde empfinden viele gar als Zumutung. Dabei lebt gerade unsere Referendumsdemokratie davon, dass die Bürger mitmachen und nicht einfach zuschauen!

Es gibt natürlich vielfältige Gründe für ein politisches Abseitsstehen: Die Anonymität unserer Gesellschaft hat längst ihre Spuren hinterlassen und liegt im Trend. Aber auch die wirtschaftlichen und sozialen Abhängigkeiten veranlassen viele zur politischen Abstinenz. Bequemlichkeit, Unverständnis und die Angst, etwas Falsches zu sagen, sind weitere Gründe. Man begnügt sich, an Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen und so mindestens die Bürgerpflicht zu erfüllen und damit das Gewissen zu beruhigen.

Dabei ist – wie es die frühere deutsche Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth einmal treffend formulierte – «öffentliche Kontrolle und gegebenenfalls Kritik an Politikern in der Demokratie nicht nur berechtigt, sondern unerlässlich». Es sei hier erwähnt, dass die öffentliche Hand mittlerweile einige Möglichkeiten für den interessierten Bürger bereitstellt: So sind in unserem Kanton die Entscheide der höchsten kantonalen Gerichte im Netz laufend abrufbar. Auch verschafft das Öffentlichkeitsgesetz die Möglichkeit, amtliche Dokumente zur Einsicht zu verlangen, auch wenn dieser Zugang hierzulande noch Verbesserungspotenzial hat.

Nebst der Bürgerschaft spielen vor allem auch die Medien bei der öffentlichen Kontrolle und beim demokratischen Meinungsbildungsprozess eine massgebliche Rolle. In ihrer Funktion als vierte Gewalt im Staat obliegt ihnen eine grosse Verantwortung für die Fortführung und Weiterentwicklung unserer demokratischen Ordnung. Um diese Aufgabe in unserer von starker Konkurrenz geprägten Medienlandschaft erfüllen zu können, erhält die Regional- und Lokalpresse unter dem Titel Presseförderung denn auch nicht unbeachtliche finanzielle öffentliche Mittel.

In den Landkantonen kommt dabei den Lokalmedien, namentlich der Lokalpresse und den Lokalradios, eine erstrangige Bedeutung zu. Sie können wesentlich zur Meinungsbildung beitragen und Bürger und Bürgerinnen in ihren Bemühungen um ein aktives Mitmachen unterstützen. So hält etwa der «Bote der Urschweiz» in seinem aktuellen Redaktionsstatut fest: «Der ‹Bote› berichtet umfassend und fair über alle im öffentlichen Interesse stehenden Ereignisse aus seinem Einzugsgebiet. Kontroverse Themen werden in ihrer ganzen Breite und jeweils mit den besten Argumenten aller Beteiligten dargestellt. Missliebige Fakten dürfen nicht unterdrückt werden.»

Diese hochgesteckten Zielsetzungen verlangen in der Praxis viel Engagement, aber auch Unabhängigkeit und Ausgewogenheit sowie Mut und Stehvermögen gegenüber den mehr oder weniger sanften Druckversuchen von Behörden oder von privaten Akteuren. Vor allem dann, wenn die Lokalpresse über ein gewisses Meinungsmonopol verfügt, sind Konflikte programmiert. Hier könnte die Einrichtung einer eigenen Ombudsstelle Abhilfe schaffen.

So verfügt beispielsweise das Medienhaus «Tamedia» seit einigen Jahren über eine solche Ombudsstelle, deren verantwortlicher Leiter jährlich Bericht erstattet. Als unabhängige Ansprechperson kümmert sie sich um die Anmerkungen und Einwendungen, um Lob und Tadel der Leser rund um die Zeitungsbelange. Das stärkt nicht nur die Nutzer-Medium-Bindung. Vielmehr verhilft die Ombudsstelle dem Medium, die Berichterstattung transparenter zu gestalten und die Glaubwürdigkeit zu verbessern, weil das Medium für die Nutzer leichter erreichbar ist. Also eine Win-win-Situation, nicht zuletzt für eine gelebte Demokratie!

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