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Die verlorenen Seelen

Covid, Spitäler, Armee, SBB, Post, Swisscom, RUAG, Elektrizitätswerke und -konzerne usw. – Pleiten, Pech und Pannen häuften sich in den letzten Jahren. Ende 2020 fasste die «NZZ» die Situation wie folgt zusammen: «Die Post-Tochter Postauto hatte über Jahre mit Tausenden von fiktiven Buchungen Subventionen erschlichen. Der Rüstungskonzern verlangte von der Armee zu viel Geld für den Unterhalt von Kampfjets und Helikoptern und wurde Opfer eines Cyberangriffs. Bei der Swisscom kam es zu einer Serie von Datenlecks und Netzunterbrüchen. Und die SBB befinden sich wegen vernachlässigter Nachwuchsplanung und Versäumnissen im Unterhalt auf anhaltender Holperfahrt.»

Die fehlenden Masken zu Beginn der Covid-Phasen, die aktuellen Strompreise, die laufenden Pannen und Pleiten bei den Bundesbetrieben haben nichts, aber auch gar nichts mit dem Ukraine-Krieg oder anderen geopolitischen Veränderungen zu tun. Es geht allesamt um «ausgelagerte» Bundesbetriebe, um «ausgelagerte» kommunale und kantonale Werke, insbesondere Elektrizitätswerke, und um die «Privatisierungswelle» bei den Spitälern.

Der Reihe nach. In den 90er-Jahren begann in ganz Europa die grosse «Liberalisierungswel-le». Die Schweiz wollte natürlich nicht abseitsstehen. Trotz Nein des Stimmvolkes wollte eine Mehrheit im Bundesrat, Parlament und in der Bundesverwaltung nach wie vor in die EU. Die Auslagerung von Bundesbetrieben war die logische Folge, um möglichst viel Hindernisse eines EU-Beitritts aus dem Weg zu räumen. Und so begann auch in der Schweiz die Auslagerung öffentlicher Aufgaben. Es entstand ein Wildwuchs von Organisations- und Kontrollformen. Niemand hatte den Überblick. Selbst die OECD sprach schon früh von einem «administrativen Zoo».

Immer wieder stellt sich die Frage: was auslagern? Swisscom AG, SBB AG, Post AG, RUAG (heute BGRB Holding AG), Skyguide AG, Finma, Swissmedic und ETH sind der breiten Öffentlichkeit mehr oder weniger bekannt. Weniger bekannt sind: Schweizerisches Nationalmuseum, Pro Helvetia, EHB, SERV, Identitas AG, SIFEM AG, IGE, Ensi, RAB, Metas, Innosuisse und SIR. Also eine Vielfalt von öffentlichen Bundesaufgaben, welche der politischen Kontrolle und Einflussnahme entzogen wurden. Hinzu kommen die vielen kommunalen Werke und die Spitäler.

Warum überhaupt auslagern, wenn nach wie vor die Betriebe im Eigentum der öffentlichen Hand bleiben? Es herrschte und herrscht auch heute noch die irrige Meinung, bestimmte Aufgaben könnten Bund, Kantone und Gemeinden kostengünstiger und sach- und kundengerechter erbringen, wenn die Betriebe ausserhalb der direkten politischen Kontrolle agieren können. Dass die Erbringung von kostengünstigen und kundengerechten Produkten und Dienstleistungen vorwiegend eine Frage der Organisation und Führung ist, will die Politik nicht wahrhaben.

Aus theoretischer Sicht ist nichts einzuwenden, wenn sich die Politik auf die finanziellen und politischen Vorgaben beschränkt und die Verantwortung für die operative Führung den Unternehmen überlässt. Doch in der Praxis hat dies in der Vergangenheit nicht funktioniert. Die Politik war und ist nicht in der Lage, die «doppelte» Verantwortung wahrzunehmen, nämlich die Gewährleistung der Versorgungsziele und die Erhaltung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit. Was nützen Effizienzsteigerungen, Markt- und Konkurrenzfähigkeit und unternehmerische Autonomie, wenn die logistische Kette zusammenbricht und die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist?

Fazit: Die ausgelagerten Betriebe geistern wie verlorene Seelen umher, ausserhalb demokratischer Kontrollen und direkter politischer Einflussnahmen. Das übergeordnete Ziel der Versorgungssicherheit – sprich Landesversorgung – ging und ist verloren. Und die Bürgerinnen und Bürger bezahlen nun die Zeche. Es ist Zeit innezuhalten und zu überlegen, wer die Verantwortung trägt und alle diese Herausforderungen meistern kann, über die Parteigrenzen hinweg!

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