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Die Schwyzer Fasnacht und ihre vermeintlichen Tücken

Jedes Jahr überrascht es mich von Neuem, wie kurz die Zeit zwischen Weihnachten und Fasnacht doch ist. Kaum ist der Christbaum entsorgt, ertönt der erste Narrentanz in den Gassen. Wir wechseln blitzschnell von der ruhigen und besinnlichen Adventszeit in den wilden Karneval-Modus und haben es lustig.

Für uns, die hier aufgewachsen sind, gehört die Fasnacht zu unserem Leben, wie die Mythen oder der Vierwaldstättersee. Aber wie muss wohl dieser Ausnahmezustand einem Aussenstehenden «einfahren»?

Ich habe mir lange überlegt, ob und wie ich die folgende Büchse der Pandora öffnen soll. Aber als Verfechter der Schwyzer Fasnacht darf ich das. Und bevor es jemand anders macht und es auch noch ernst meint, tue ich es lieber selbst.

Gerne nehme ich hier die fiktive Steffi aus dem Buch «D Steffi a de Schwyzer Fasnacht» von Autorin Christine Annen und Illustrator Bernhard Annen zur Hilfe:

Steffi ist mittlerweile älter geworden und kennt die Schwyzer Fasnacht bestens. Nun kommt ihr Zürcher Onkel Oskar zu Besuch, der noch nie an einer Schwyzer Fasnacht war. Oskar ist ein sehr gesellschaftskritischer Zeitgenosse, der so ziemlich alles hinterfragt, was er sieht, und ein Griesgram noch dazu.

Steffi holt Onkel Oskar am Bahnhof in Addis-a-Seeba ab, wo ihm vis-à-vis sofort das «Dschibuti» ins Auge sticht. Auf die Frage, wieso hier alles so exotisch klingt, erklärt ihm Steffi das neguanische Reich. Das sei doch kulturelle Aneignung, kritisiert Onkel Oskar kopfschüttelnd, während es auf der Avenue der Staatsbahnen weiter nach Jeddo-Schwyz geht. Nach der afrikanischen wettert er nun lautstark über die asiatische Aneignung. Gut, weiss er nicht, dass es früher unweit noch ein Kalifat gab. Und wie die Suuli-Truppe aus Morschach früher hiess, weiss – Gott sei Dank – nicht mal Steffi.

Völlig irritiert ist der gute Onkel aus Zürich von der Tatsache, wie offen die vermeintlich konservativen Innerschwyzer mit der ganzen Gender-Thematik umgehen. Frauen im Kostüm eines alten Herrn oder Männer im Hudi-Gwändli – und erst das genderneutrale Domino. Beim Zigeuner schüttelt er nur wieder den Kopf.  

In einer Beiz dann warten Steffi und Oskar auf die Rott. Aber nicht lange, denn Oskar kann den Rauch in dem Spunten nicht ertragen. So dislozieren sie in ein Nichtraucher-Restaurant. Die Rott trifft ein, und Oskar der Schlag! Das seien doch sicher mehr als 100 Dezibel, schreit er. Ob denn der Tambour noch nie etwas von der Schall- und Laserverordnung gehört habe.  

Er schaut verdutzt auf die Uhr. Kann es sein, dass hier alle vormittags schon reichlich Alkohol trinken? Und: «Hey, habe ich jetzt das richtig gesehen? Hat da tatsächlich jemand dem Hudi an die grossen Brüste gefasst? Der Verkleideten scheint das sogar noch zu gefallen!» Der Onkel versteht die Welt nicht mehr.

Ein Maschgrad erkennt Steffi und sitzt ihr im Handumdrehen auf dem Schoss. Er intrigiert, was das Zeug hält. Oskar findet das Gespräch nicht lustig. Ihm fehle die Kausalität, meint er. Und als der Maschgrad dann erfährt, dass Steffis Onkel aus Zürich kommt – tja, spätestens dann war ihm der fasnächtliche Humor vollends zu wider und bat Steffi, das Irrenhaus mit ihm sofort zu verlassen.

Als sie dann am Hauptplatz vorbeikommen, sieht Oskar das ganze Ausmass der Tollerei. All das Littering und die zerquetschten Orangen am Boden. Und überhaupt, Orangen mitten im Winter? Und warum tanzen denn die so monoton? Und bei dieser Musikgruppe trifft ja keiner den Ton, die sind ja völlig unprofessionell. Und grosse Köpfe findet er überhaupt nicht lustig. Und warum dürfen bei diesem Verein nur Männer mitmachen? Und… und… und…

Steffi wird das Ganze zu bunt. Mitten im Gewühl verliert sie absichtlich ihren bösen Onkel, rennt schnurstracks in die nächste Raucher-Beiz, bestellt ein Kaffee Chrüter und überlässt Oskar seinem Schicksal – der Schwyzer Fasnacht!

Jedes Jahr überrascht es mich von Neuem, wie lang die Zeit zwischen dem Blätzverbrennen und Dreikönigen doch ist und wie schnell dann der fasnächtliche Spirit im Alltag verdunstet.

Schöni Fasnacht!

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