In Seewen fanden 1935 ein paar Fasnächtler eine exotische Randnotiz der Geschichte lustig: den Einmarsch des faschistischen Italien im ostafrikanischen Abessinien. Da war damals in den Zeitungen die Rede vom Negus, dem abessinischen Herrscher in Addis Abeba. Was Seewener Fasnächtler zu Addis-a-Seeba umdeuteten und eine Negusgesellschaft gründen liess. Die gibt es heute noch. Und ihre Imitation von damaligem höfischem Getue am abessinischen Hof finden noch heute sehr viele Leute in Seewen lustig.
So auch am Samstagabend. Die Negusgesellschaft feierte in der bis auf den letzten Platz gefüllten Seewener Seerüti-Halle ihre Reichsversammlung. Die Negusgesellschaft trat wie der damalige abessinische Kaiser in khakifarbenen Overalls und mit Kopfbedeckungen auf, die an alte Kaffeewärmer erinnern, parlierte in höfischem Schriftdeutsch und wickelte den Fasnachtsabend unter strenger Einhaltung einer sehr, sehr langen Traktandenliste ab. Der amtierende Seewener Fasnachtskaiser, Negus Sebastian Gwerder, demissionierte mit den Worten: «Mein Bart wurde unter der Würde des Amtes grau – tschau.» Gwerder liess den Dudelsackbläser Rolf Heinzer als musikalisches Abschiedsgeschenk auftreten und schlug den bisherigen Kanzler Bernhard Aschwanden zu seinem Nachfolger vor. Aschwanden wurde von den Leuten im Saal durch deren Applaus genauso gewählt wie Stephan Gramlich, der neuer Kanzler und damit Kaiseranwärter wurde. Gramlich begrüsste die Gäste im Saal mit «Sugen Suvres», bemerkte dann allerdings, dass er sein Manuskript verkehrt herum hielt, drehte es und las dann ab: «Servus Negus.» Und sehr viele Leute im Saal fanden dies lustig.
Seppi, die Spiessrute
Neu in die Negusgesellschaft aufgenommen wurden Seppi Spiess und Roman Betschart. Mit der Aufnahme wurde aus Seppi Spiess «Seppi, die Spiessrute» und aus Roman Betschart «Roman, der Vorturner». Und sehr viele Leute im Saal fanden dies lustig.
Rückblickend auf die Reichsversammlung 2009 wurde protokolliert: «Gefehlt haben damals Bin Laden und der Besitzer vom Fünfvaterunser-Gaden.» Und: «Die Begrüssten begrüssten, dass sie begrüsst wurden.» Die Kasse der Negusgesellschaft habe die Wirtschaftskrise gut überstanden, wurde berichtet. Und die Fahrer der jeweils am Güdeldienstag durch das Fasnachtsvolk kurvenden Staatskarossen der Negusgesellschaft kamen zur Erkenntnis: «Was nützt der Tiger im Tank, wenn der Esel am Steuer sitzt.» Der neue Negus versprach, in der Seerüti-Halle werde wegen des künftigen Rauchverbots nächstes Jahr ein Fumoir eingerichtet. Ob dieses Versprechen eingehalten wird? Jedenfalls fanden sehr viele Leute im Saal auch dies lustig.
Der Festgesellschaft konnte mitgeteilt werden, dass soeben in Brunnen der in Seewen aufgewachsene Robert Kistler zum dortigen Bartlivater gewählt worden sei: «Ein Neguaner!» Insgesamt liess sich die Festgesellschaft weit über Mitternacht hinaus von der Negusgesellschaft fasnächtlich unterhalten – und hatte es lustig.
Bert Schnüriger/Neue SZ