Die Schweiz wächst. Seit 1980 ist die Wohnbevölkerung von 6,4 auf 8,8 Millionen Einwohner angestiegen. Das sind satte 38 Prozent, grösstenteils erklärbar durch Zuwanderung. Entgegen den Klischees von Verschlossenheit hat die Schweiz damit eine enorme Integrationsleistung erbracht. Dies sieht man, wenn wir uns mit unserem nördlichen Nachbarn vergleichen. Im Jahr 1980 wohnten in Westdeutschland 61 Millionen Menschen, im Jahr 2022 betrug die Bevölkerung nach der Wiedervereinigung mit Ostdeutschland zusammen 84 Millionen, also «nur» 38% mehr. Im gleichen Zeitraum hat die Schweizer Bevölkerung um die gleiche Rate zugenommen, nur ohne Vergrösserung der Landesfläche. Relativ gesehen, hat die Schweiz also in dieser Zeit eine ganze DDR integriert, und das mit dem Erhalt guter Löhne für alle. Für den Kanton Schwyz sind die Zahlen noch eindrücklicher, hier ist die Bevölkerung im gleichen Zeitraum sogar um 69 Prozent von 97 000 auf 165 000 gewachsen.
Es ist klar, dass die mit dem Wachstum zusammenhängende Zuwanderung nicht nur in der Politik heiss debattiert wird. Im letzten Jahr sind netto knapp 70 000 Personen in die Schweiz eingewandert. Dieses Jahr wird die Nettoeinwanderung noch grösser ausfallen, weil die Flüchtlinge aus der Ukraine nach einem Jahr statistisch zur ständigen Bevölkerung gerechnet werden.
Ist eine immer grössere Schweiz nun Fluch oder Segen? Die Kosten der Zuwanderung sind für viele offensichtlich: Die Einwohner brauchen Wohnungen, die Strassen- und Bahninfrastruktur muss ausgebaut werden, oft hört man sogar «Dichtestress». Migranten werden auch krank, und deren Kinder gehen in die Schule. Es braucht darum mehr Gesundheitspersonal und zusätzliche Lehrkräfte, um nur zwei Beispiele zu nennen. Der Fachkräftemangel wird dadurch jedoch nicht verschärft, wie manchmal kolportiert wird. Denn entscheidend ist die Struktur der Zuwanderung. Wenn der Anteil von Lehrern oder Ärzten unter den Immigranten höher ist als in der ansässigen werktätigen Bevölkerung, hilft Zuwanderung den Fachkräftemangel lindern.
Besonders positiv zu werten ist die Zuwanderung aus demografischer Sicht. Immigranten sind im Schnitt jünger als die ansässige Bevölkerung. Junge Zuwanderer, deren Ausbildung schon bezahlt ist, zahlen heute in die AHV ein, was die Sozialwerke entlastet. Zwar werden sie in Zukunft Leistungen beziehen, aber heute verjüngt sich unsere Alterspyramide. Und wenn die Schweiz und Schwyz auch in 20 Jahren noch attraktiv sind, wird auch dann die Zuwanderung die Sozialwerke weiter stützen und die Alterung der Gesellschaft aufhalten.
Stellen wir uns vor, wir hätten eher Abwanderung. Das ganze Land wäre viel älter, und schon mehrere zusätzliche AHV-Reformen mit Mehrkosten oder Rentenkürzungen wären nötig gewesen. Auch mit einer konstanten Bevölkerung müsste die bestehende Infrastruktur irgendwann repariert werden, dazu fehlten aber die Steuereinnahmen. In einem sich entvölkernden Gebiet zu leben, bedeutet schrumpfenden Wohlstand, Dienstleistungen werden abgebaut, und der Halbstundentakt rentiert nicht mehr.
Auf der anderen Seite müssen wir die Geschwindigkeit der Zuwanderung nur schon raumplanerisch auf einem sinnvollen Niveau halten. Umso mehr sollten wir nicht, wie in anderen Ländern üblich, Firmenansiedlungen mit Steuergeschenken ködern. Standortdoping geht immer auf Kosten der ansässigen Bevölkerung. Die Schweiz und der Kanton Schwyz bleiben nur dann attraktiv, wenn die Geschwindigkeit der Zuwanderung im Rahmen bleibt, weil sonst der Ausbau der Infrastruktur, aber auch die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft nicht Schritt halten.
Der Schweizer Arbeitsmarkt ist eine Erfolgsgeschichte. In den letzten Jahrzehnten wurden viele gut bezahlte Stellen geschaffen, und es sind viele gut Ausgebildete gekommen, ohne die unsere Sozialwerke und viele Branchen wie Universitäten und Gesundheitswesen schon lange in Schieflage wären. Regionen, die nicht attraktiv für Talente sind, sitzen auf dem absteigenden Ast. Wir können uns glücklich schätzen, dass bei uns das Gegenteil der Fall ist.