So lange haben Politiker und Verbände lange nicht mehr gezittert. Auch vier Stunden nach Urnenschluss war nicht klar, ob die AHV-Reform die Hürde des Volksmehrs schafft. Einzelne Zürcher Stadtkreise waren erst nach 16.20 Uhr ausgezählt, ein paar Stimmen machten den Unterschied.
Früh zeichnete sich hingegen ab: Die grosse Schlappe für die SP, sie bleibt aus. Links-grüne Kräfte haben weit über die eigenen Reihen hinaus mobilisiert und einen imposanten Endspurt hingelegt. Trotzdem bedeutet dieser Abstimmungssonntag eine Zäsur: Sozialreformen sind neu auch ohne die SP und die Gewerkschaften möglich – gar gegen deren expliziten Willen.
Im bürgerlichen Lager knallen deswegen (noch) keine Champagner-Korken. Der Sieg an der Urne war allzu knapp. Aber er war wichtig, um eine jahrzehntelange Blockade zu lösen. Die AHV wartet seit 25 Jahren auf eine Reform. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will die Finanzierung der Renten für die Zukunft sichern. Allerdings, und das zeigt dieser Tag ebenfalls, musste die strukturelle Anpassung, Rentenalter 65, teuer erkauft werden. Bis zu 160 Franken im Monat erhalten Frauen der Jahrgänge 1964 und 1965, wenn sie ein Jahr länger arbeiten - und zwar bis ans Lebensende.
Die Frauen tragen nun wesentlich dazu bei, die AHV-Finanzen zu stabilisieren. Eine Mehrheit von ihnen empfindet das als ungerecht. Viele stimmten aber auch dafür. Denn Frauen sind innerhalb des Systems AHV nicht schlechter gestellt als Männer, sie werden älter, beziehen über eine längere Frist Renten und erst noch leicht höhere Beiträge. Gleichzeitig zahlen sie weniger ein.
Das Ja ist insofern auch dem jahrelangen Kampf der Linken zu verdanken, sie haben über Betreuungsgutschriften und Ehegattensplitting erreicht, dass AHV-Renten der Frauen nicht kleiner sind als jene der Männer. Dieser Kampf um Gleichberechtigung ist aber nicht am Ziel, erreicht ist die Gleichstellung gerade in der zweiten Säule nicht: Männer beziehen deutlich höhere Pensionskassenrenten. Mit dem knappen Entscheid zur Erhöhung des Frauenrentenalters geht denn auch ein grosses Versprechen einher: Gleiche Arbeitszeit für gleiche Löhne und gleiche Renten.
Nur rast die Reform der Pensionskassenrenten gerade auf den Abgrund zu. Ein stabiler bürgerlicher Block wie in der AHV besteht nicht. Doch kann das Parlament sein Versprechen auf eine Besserstellung der Frauen nicht einfach brechen. Erstens ist der Leidensdruck bei kleinen Einkommen real. Mit einer AHV-Rente alleine sind Erwerbstätige mit kleinen Pensen oder tiefen Löhnen nicht fürs Alter abgesichert. Zweitens würde das strategische Geschick der Sozialdemokraten unterschätzt. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente ist eingereicht und hat den Boden bereits geebnet: Folgt die Besserstellung nicht über die berufliche Vorsorge, kommt sie eben über die AHV.