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Schweiz [News Service]

Zahl der Elektroautos steigt – warum dies langfristig für die Strassenkasse ein Problem ist

Elektroautos stellen Bund und Kanton vor ein Problem: Ihre Besitzer zahlen heute kaum etwas an die Strasseninfrastruktur. Wie soll das Verkehrsnetz künftig finanziert werden, wenn die Zahl der E-Autos massiv steigt?
Wer zahlt den Ausbau des Nationalstrassennetzes? Heute sind dies alle, die Benzin oder Diesel tanken. Unklar ist das Finanzierungssystem, wenn die Elektromobilität wie politisch gewollt noch stärker zunimmt.  (Bild: Bruno Kissling)

Lucien Fluri

Natürlich hat jeder Kanton sein eigenes System. Wer wissen will, wie Autos in der Schweiz besteuert werden, muss sich durch einen Dschungel an Vorschriften kämpfen. Mal ist der Hubraum ausschlaggebend, mal das Gewicht, dann wieder die Leistung. Nur etwas ist einheitlich: Das historisch gewachsene System ist auf Verbrennungsmotoren ausgerichtet.

Für Elektroautos gibt es unterschiedliche Versuche, sie ins alte System einzubinden. Einige Kantone erlassen die Steuern gleich ganz, weil sie die umweltfreundliche Technik fördern wollen. Andere setzen auf das Gewicht. – Und da zahlen die Besitzer der Autos eher mehr, weil die Batterie schwer ist. Je nach Kanton berappt man für einen Tesla S zwischen 0 und deutlich über 1000 Franken Steuern. Mitunter ist der Elektrobolide teurer als ein Porsche.

Auf Bundesebene zahlen Besitzer von E-Autos kaum Abgaben

Zwar gibt es in fast keinem Kanton ein Steuersystem, das hauptsächlich auf ökologischen Grundlagen fusst. Grundsätzlich aber gilt in der Schweiz: Besitzer von Elektroautos werden derzeit privilegiert, weil die Technik gefördert werden soll. Viele Kantone kennen Rabatte für umweltfreundliche Autos. Auf Bundesebene wird die Importsteuer erlassen. Und Besitzer von E-Autos müssen kaum einen Rappen an die Nationalstrassenfinanzierung leisten. Denn diese wird heute aus Abgaben auf Benzin und Diesel gespeist. Pro Liter Benzin zahlte jeder Autofahrer 2019 etwa 73 Rappen.

Eine Mitbeteiligung der E-Autobesitzer von jährlich 90 Mio. Franken war eigentlich ab 2020 vorgesehen. Doch der Bund hat diese Abgabe hinausgeschoben. «Zurzeit ist der Anteil von Elektrofahrzeugen noch sehr gering. Die Abgabe soll deshalb erst eingeführt werden, wenn die Marktdurchdringung mit solchen Fahrzeugen markant zugenommen hat», hält das Bundesamt für Strassen (Astra) fest.

Die Zahl der Elektroautos steigt auf den Schweizer Strassen

Damit stellt sich nicht nur die Frage der Gerechtigkeit, etwa wenn ein Fahrer eines Tesla S (Neupreis: ab 96'990 Franken) steuerfrei davonfährt. Vor allem mit Blick auf die Zukunft, muss die Politik die Steuern neu ausrichten. Denn einerseits ist die Zahl der Elektroautos insgesamt zwar noch tief; sie soll aber stark ansteigen. 2020 waren immerhin 14,3 Prozent aller neu zugelassenen Autos bereits Elektrofahrzeuge oder Plug-In-Hybride. Und andererseits werden die Verbrennungsmotoren immer sparsamer und liefern deshalb weniger Gebühren ab.

Stefan Müller-Altermatt möchte diese Chance nutzen – und mit den kantonalen Unterschieden aufräumen. Der Mitte-Nationalrat hat einen Vorstoss im Parlament eingereicht, damit ein einheitliches System eingeführt wird. Seine Idee: Die Steuer soll überall nach demselben Prinzip festgesetzt werden. Die Höhe könnten die Kantone aber weiterhin selbst festlegen. «Ein Verkäufer weiss heute nicht, was er den Käufern sagen muss. Ob ein Aargauer oder ein Solothurner Interessent im Verkaufsraum steht, macht einen grossen Unterschied bei der Beratung.» Müller-Altermatt:

«Die Kantone warten auf den Bund in Sachen Weiterentwicklung der Motorfahrzeugsteuern. Im Moment sind sie quasi ausgebremst.»

Tatsächlich warten einige zu. Andere Kantone wie Bern handeln aber – und schaffen Tatsachen. Bald kommt dort die Neuausrichtung der Steuer ins Kantonsparlament: Sie basiert auf einer Mischrechnung zwischen dem Fahrzeuggewicht und dem CO2-Ausstoss. Damit würden sparsame Autos weiterhin gefördert. Allzu langfristig ist das Modell nicht, wenn der CO2-Ausstoss wie politisch gewollt gesamthaft sinkt.

Der Bund überdenkt gerade sein Strassenfinanzierungssystem

Mehr noch als die Kantone wird sich mittelfristig der Bund Gedanken machen müssen, wie Besitzer von Elektroautos ihren Beitrag an die Verkehrsinfrastruktur bezahlen. Derzeit ist der aus Mineralölsteuern gespiesene Fonds gefüllt. Mit Blick auf die Jahre nach 2025 oder 2030 dürfte sich dies ändern. Wohin es gehen soll, hat der Bundesrat angedeutet. Er will eine «fahrleistungsabhängige Abgabe zur Ablösung der Mineralölsteuern». Was kompliziert tönt, bedeutet: Wer mehr fährt, soll mehr bezahlen. Bis Ende 2021 will der Bund ein Konzept vorlegen über die künftige Finanzierung, die auch die Autobahnvignette ablösen könnte. Testen will der Bund ab 2024 auch ein Mobility-Pricing in Kantonen und Städten.

Beim Branchenverband Auto Schweiz sperrt man sich nicht gegen das Mobility-Pricing. Geschäftsführer Andreas Burgener aber sagt: Solange damit die Verkehrsinfrastruktur finanziert werde, sei das System in Ordnung. Es dürfe aber nicht dazu verwendet werden, um den Verkehrsfluss zu steuern, etwa indem in Stau-Spitzenzeiten höhere Gebühren bezahlt werden müssen. Burgener:

«Ein Handwerker muss zu gewissen Zeiten auf die Büez. Den darf man nicht strafen.»

Zu wenig rasch voran geht es im Dossier aus Sicht von Patrick Hofstetter, Klimaschutzexperte des WWF. «Man getraut sich nicht, den grossen Wurf zu machen», sagt er. Und weiter:

«Damit man den Übergang schafft, müssten jetzt Aufträge in der Verwaltung erfolgen.»

Nationalrat Müller-Altermatt sieht das Mobility-Pricing kritischer. Nicht nur würden so Berg- und Randregionen mit langen Wegen stärker zur Kasse geben. Müller-Altermatt würde vor allem in kleineren Schritten vorwärts gehen. «Grundlegende Reformen sind im Steuerrecht immer schwierig durchzubringen. Es gibt wahnsinnig viele Oppositionsmöglichkeiten.»