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Energiewende

Windkraft-Offensive in Zürich: Kanton will Mitsprache der Gemeinden beschränken

Bis zu 120 Windturbinen könnten im Kanton Zürich in den nächsten Jahren aufgestellt werden. Betroffen wären vor allem ländliche Gemeinden fernab der Stadt. Ihre Mitwirkung soll beschränkt werden. 

Vor allem die bisher wenig erschlossenen Landschaften sollen im Kanton Zürich der Erzeugung von Windenergie dienen. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Windenergie könne einen Beitrag zur Stromversorgung im Winter leisten, der Kanton Zürich verfüge dabei über ein grosses Potenzial: Dies erklärte der grüne Zürcher Baudirektor Martin Neukom am Freitag. Vor den Medien stellte er eine Analyse zur künftigen Nutzung der Windkraft im Kanton vor.

Das Ergebnis: Windräder könnten fast acht Prozent des Jahresstrombedarfs des Kantons erzeugen: 800 Gigawattstunden pro Jahr, genug für 170'000 Haushalte. Der Preis dafür: 46 Standorte würden zu Windparks, 120 Anlagen in die Landschaft gestellt.

Gebaut wird auf dem Land, entschieden in der Hauptstadt

Bezahlen sollen diesen Preis hauptsächlich die Gemeinden im Zürcher Oberland, im Weinland und am Pfannenstiel. In diesen Gebieten verorten die Experten des Kantons laut einer von Neukom präsentierten Karte das grösste Potenzial. Die Agglomeration und die Ufer des Zürichsees blieben dagegen windkraftfreie Zone: Zu den Ausschlusskriterien gehören nämlich unter anderem die Nähe zu Wohngebieten, Flugverkehr, Infrastrukturen und Gewässern.

Über die Errichtung der Grossbauten im Hinterland entschieden werden soll künftig aber allein in der Limmatstadt: Dies ist das Ziel einer Revision des kantonalen Planungs- und Baugesetzes, die von der Baudirektion zugleich geprüft wird. Sie entzieht den Gemeinden ihre wichtigste Mitsprachemöglichkeit: Bisher konnten die Einwohner und Einwohnerinnen nämlich selbst abstimmen, wenn gegen einen kommunalen Gestaltungsplan das Referendum ergriffen worden war. Diese kommunalen Gestaltungspläne soll es nach Vorstellungen des Kantons in Zukunft nicht mehr geben.

Neu soll stattdessen allein der Kanton im Richtplan festschreiben, wo gebaut werden kann. Und gegen den Richtplan gibt es kein Referendum. Die Bewilligung für ein konkretes Projekt eines Energieunternehmens gibt es dann vom Regierungsrat, wobei dieser Landschafts- oder Naturschutzinteressen gegen das «nationale Interesse» an erneuerbaren Energien abwägen darf, wie es das eidgenössische Parlament 2018 beschlossen hat.

«Dialog» statt Volksabstimmung

Hat der Regierungsrat die Bewilligung erteilt, müssten die Betroffenen vor Gericht beweisen, dass die Bewilligung nicht rechtskonform ist. Blitzen sie damit bei den kantonalen Gerichten ab, bleibt der Gang vor das Bundesgericht. Dieses kann die Vorentscheide aber nur korrigieren, wenn Formfehler vorliegen.

Anstelle von Referenden und Einsprachen soll nach den Plänen Neukoms ein «Dialog» treten: «Die Eignung dieser Potenzialgebiete überprüft die Baudirektion nun detailliert in enger Zusammenarbeit mit den möglichen Standortgemeinden, den Natur- und Landschaftsschutzverbänden sowie der Windenergiebranche», heisst es dazu in einer Mitteilung des Kantons.

SVP kritisiert Aufwand und Kosten

Öffentliche Kritik an Neukoms Windoffensive gab es am Freitag nur von der SVP. Die vom Kanton identifizierten Gebiete lägen «inmitten schlecht erschlossener und sensibler Landschaften», es sei mit grossem Widerstand zu rechnen, schreibt diese in einer Mitteilung.

Die Energieausbeute sei ausserdem gering: «Der nun vom Baudirektor angestossene Richtplanprozess beruhigt vielleicht das grüne Gewissen in der Energiekrise, generiert jedoch massiven Aufwand und Kosten, welche angesichts des minimalen Nutzens nicht gerechtfertigt sind», so die SVP.

Auftragsstudie macht Ausbau in der ganzen Schweiz zum Thema

Der Kanton Zürich folgt mit seiner Einschätzung jener der Bundesbehörden: Das Potenzial für Windkraft sei in der Schweiz viel grösser als angenommen. In der Schweiz könnten demnach 29,5 Terawattstunden Strom aus Windenergie produziert werden könnten, 19 davon allein im Winterhalbjahr, liess das Bundesamt für Energie kürzlich von der Firma Meteotest berechnen.

Der Verband «Freie Landschaft Schweiz», in dem sich Windkraftgegner aus verschiedenen Regionen national organisiert haben, kritisierte die Auftragsstudie: Um dieses Potenzial tatsächlich auszuschöpfen, müssten «mit wenigen Ausnahmen auf allen denkbaren, erreichbaren und noch unverbauten Flächen in der Schweiz Windturbinen aufgestellt werden».