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Kommentar

Was ein Grad ausmachen kann - die Energiekrise ist fürs Erste abgeblasen

Bundesrat Guy Parmelin verkündete: in der Not darf mit Gas nur noch auf 20 Grad geheizt werden. Was bedeutet das?

20 Grad sei einfacher einzustellen als 19 Grad, sagt Wirtschaftsminister Guy Parmelin.
Bild: Jean-Christophe Bott / KEYSTONE

Es ist nur ein Grad Unterschied und trotzdem kommt es einer 180-Grad-Wende gleich. Gestern beschied Wirtschaftsminister Guy Parmelin der Schweiz, in einer Gasmangellage würde die Raumtemperatur von betroffenen Privathaushalten auf 20 Grad begrenzt. Ursprünglich lag seine Vorstellung bei 19 Grad. Klingt nach wenig Änderung, aber jedes Grad weniger spart 6 Prozent Energie. Und schliesslich hiess es noch vor wenigen Wochen: Jede Kilowattstunde zählt.

Parmelins Begründung ist kurios. 20 Grad seien am Radiator halt leichter einzustellen, sagte er. Um nachzuschieben, vielleicht sei es «auch ein bisschen komfortabler». Wohlverstanden: Es handelt sich dabei um Verordnungen, die nur im Fall einer grossflächigen Gasmangellage eintreffen. Zum Vergleich: Im Zweiten Weltkrieg galt in manchen Schweizer Amtsstuben eine Obergrenze von 15 Grad.

Man darf Parmelins Äusserungen also durchaus so interpretieren, dass eine unmittelbare Gas-Krise kaum bevorsteht. Das passt ins Bild von aktuell vollen Speichern, tieferen Preisen und neu erschlossenen Handelswegen. Es darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Situation bereits auf den nächsten Winter verschärfen kann. Denn diesen Sommer wird sich Europa nicht wie sonst mit russischem Gas eindecken können.

Bis dann bleibt noch etwas Zeit: für zusätzliche Speicherkapazitäten, weniger fossile Abhängigkeit und griffige Verordnungen.