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Steuerregeln

Ungleiche Steuerpraxis für Grenzgänger: Franzosen dürfen ins Homeoffice, Italiener müssen pendeln

Die Schweiz und Frankreich haben eine Lösung für die Besteuerung von Grenzgängerinnen im Homeoffice gefunden. Bis zu 40 Prozent der Arbeit dürfen sie von zu Hause aus leisten. Es bleibt die Ausnahme.

Jeden Tag überqueren gegen 70'000 Pendler die Grenze. Eine Verkehrsentlastung hat die Politik verpasst.
Bild: Francesca Agosta / KEYSTONE/TI-PRESS

Eigentlich müssen Arbeitnehmer regelmässig über die Grenze pendeln, um als Grenzgängerinnen oder Grenzgänger klassifiziert zu werden. Im Rahmen der Covid-Pandemie hatte die Schweiz mit Nachbarländern einvernehmliche Lösungen gefunden, um die rigiden Regeln aufzubrechen. Dies stellte insbesondere für Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Dienstleistungsbranche eine Erleichterung dar.

Aus der temporären Regel wird nun eine dauerhafte. Denn die Entwicklungen um das Homeoffice «werden wohl eine bleibende Umwälzung darstellen», erklärt das SIF. Allerdings gelten im Bereich der Sozialversicherungen immer noch Sonderregelungen. Noch bis zum 30. Juni 2023 sind Grenzgänger im Homeoffice dem schweizerischen Sozialversicherungssystem unterstellt. Ab dem 1. Juli 2023 gilt wieder das reguläre System. Dieses besagt, dass ein Arbeitnehmer, der mindestens 25 Prozent seiner Arbeitszeit im Homeoffice verbringt, dem Sozialversicherungssystem seines Wohnsitzlandes unterliegt.

Frankreich mit fortschrittlichen Regeln

Der Schweizerische Arbeitgeberverband SAV begrüsste die Vereinbarung mit Frankreich. Sie komme dem Bedürfnis der Unternehmen nach Planbarkeit entgegen und gewährleiste die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer unabhängig von ihrem Wohnsitzland. Beifall kam auch aus dem Kanton Genf. Die Genfer Finanzdirektorin Nathalie Fontanet sprach am Radio SRF von einer «sehr guten Lösung für Genf, Frankreich und die Schweiz». Allerdings sind die finanziellen Auswirkungen der neuen dauerhaften Lösung für Grenzgänger im Homeoffice noch nicht ganz klar. Genf dürfte Steuereinnahmen verlieren, da die Steuern für Grenzgänger am Arbeitsort erhoben werden. Der Bund hat angekündigt, die finanziellen Interessen Genfs durch einen Beitrag auszugleichen. Die Grössenordnung dieses Betrags ist bisher nicht bekannt.

Während mit Frankreich eine moderne Lösung fürs Homeoffice gefunden werden konnte, lässt sich das Gleiche nicht für Italien sagen. Eine während der Covid-Pandemie unterzeichnete Verständigungsvereinbarung, welche Homeoffice von Grenzgängern ohne steuerliche Anpassungen ermöglichte, wird nach dem Auslaufen am 31. Januar 2023 nicht verlängert, «da es in beiden Ländern keine Beschränkungen der Personenfreizügigkeit aufgrund des Gesundheitsnotstands Covid-19 mehr gibt», wie die Eidgenössische Steuerverwaltung mitteilt. Damit müssen Grenzgängerinnen und Grenzgänger ab Februar wieder pendeln, wenn sie ihren Status nicht verlieren wollen. Wer auch nur einen Tag im Wohnsitzland Italien arbeitet, muss das Einkommen aus diesem Tag in Italien versteuern.

Weg zu einer Entlastung der Strassen verpasst

Wenig Freude an diesem Entscheid hat die Tessiner Industrie- und Handelskammer (CCIA), weil nun die Abkommen in Bezug auf die Besteuerung und die Sozialversicherung unterschiedliche Laufzeiten haben. Gewünscht hätte man sich eine nachhaltige Lösung, wie sie mit Frankreich gefunden wurde und welche dem Kulturwandel Rechnung trägt. Neben rechtlicher Sicherheit hätte dies auch zu einer Entlastung der Strassen geführt, da weniger Grenzgängerinnen und Grenzgänger täglich pendeln, wenn sie im Homeoffice arbeiten.

Mit Deutschland sind die Sonderregeln bei der Besteuerung von Grenzgängern im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie bereits im Sommer 2022 ausgelaufen. Seit dem 1. Juli müssen auch die deutschen Grenzgängerinnen und Grenzgänger wieder pendeln oder in Deutschland Steuern entrichten.