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Ständerat

Und plötzlich ist sie durch: Megareform stellt Gesundheitsfinanzen auf den Kopf – wer profitiert nun davon?

Die Kosten, die jährlich für Gesundheitsleistungen ausgegeben werden, steigen und steigen. Um die Prämienzahler zu entlasten und den medizinischen Fortschritt zu unterstützen, soll nun das Finanzierungsregime geändert werden. Doch hilft es auch, die Kosten zu senken? 

Bundesrat Alain Berset unterstützt das neue Finanzierungsregime. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Bild: Alessandro Della Valle / KEYSTONE

82,5 Milliarden Franken Gesundheitskosten sollen neu finanziert werden. Die Rede ist von der grössten Reform seit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung 1996. Hintergrund sind die medizinischen und technischen Fortschritte, welche die Gesetze längst überholt haben: Von Knieoperationen über Harnröhreneingriffe bis zu Chemotherapien können viele Leistungen heute ambulant gemacht werden. Das heisst, die Patienten können am selben Tag wieder nach Hause und müssen die Nacht nicht im Spital verbringen. Das Prinzip «ambulant vor stationär» dient den Patienten, weil sie sich nachweislich in den eigenen vier Wänden besser erholen können. Gleichzeitig ist das selbstredend auch günstiger.

Für den Prämienzahler stimmt die finanzielle Bilanz hingegen nicht: Während stationäre Leistungen zu 55 Prozent von den Kantonen und zu 45 Prozent von den Versicherern finanziert werden, zahlen die Versicherer die ambulanten Leistungen vollständig. Und weil die Kantone die ambulanten Listen zusätzlich fördern, spielt das Kostenwachstum vor allem im ambulanten Bereich. Das zeigt sich in den Zahlen: Die Spitalkosten stagnieren seit Jahren, die Prämien wachsen überproportional.

Diese Dynamik ist bekannt, seit Jahren absehbar. Doch wehrten sich die Kantone lange gegen eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas), weil sie sich nicht an den steigenden ambulanten Kosten beteiligen wollten. Das führte zu Streit – und einer langen Blockade. Trotzdem verlief die Debatte im Ständerat ohne grosse Zwischentöne. Mit 29:6 Stimmen und 5 Enthaltungen hat die kleine Kammer die Reform verabschiedet. In wichtigen Details bestehen zwar noch Unterschiede zum Nationalrat, doch ein Wechsel des Finanzierungssystems ist besiegelt. Neu sollen die Kantone mindestens 26,9 Prozent und die Krankenversicherer über die Prämien höchstens 73,1 Prozent der medizinischen Leistungen finanzieren.

Geschätzte Einsparungen von bis zu 3 Milliarden Franken

Nicht allen Gesundheitspolitikern ist wohl bei diesem Schritt. SP-Ständerat Paul Rechsteiner sprach von einem «sehr ambitionierten Projekt». Und er versuchte mit Fakten zu belegen, dass das Risiko eines Wechsels den möglichen Nutzen übersteigt. SVP-Ständerat Hannes Germann erklärte zwar, er teile den Pessimismus seines Vorredners Rechsteiner nicht «auf der vollen Linie». Er warnte aber auch vor grossen Unsicherheiten.

Was die Reform Zählbares bringt, ist tatsächlich nicht so eindeutig. Trotz der stark steigenden Prämien wagte es kaum ein Redner, grosse Einsparnisse zu versprechen. Josef Dittli, Präsident des Krankenversicherungsverbands Curafutura, verwies auf Studien, die Kostendämpfungen in der Höhe von einer bis drei Milliarden Franken vorsehen. Die Hoffnung ist zumindest da. Denn das System soll vereinfacht und der Fokus auf eine bessere Patientenversorgung gelegt werden.

Umsetzung frühestens 2031

Wie aufwendig die Umsetzung ist, zeigt der Zeithorizont: Bis sieben Jahre nach der Einführung haben die Kantone Zeit, ihren Kostenanteil anzupassen. Doch die ungleich grössere Aufgabe folgt erst, die Übernahme der Pflegeleistungen in die einheitliche Finanzierung aller Leistungen. Der Ständerat hat diesen Passus bereits ins Gesetz geschrieben, um die Kantone milde zu stimmen. Denn sie leisteten den grössten Widerstand. Erst mit dem Versprechen, die Pflegeleistungen mittelfristig auch in die einheitliche Finanzierung zu integrieren, gelang der Durchbruch. Denn in der Pflege wachsen wegen der Alterung der Gesellschaft die Kosten womöglich noch stärker als im ambulanten Bereich. Die erwähnten Skeptiker der Vorlage warnen denn auch vor einem Kostenschub bei den Prämien, wenn die Pflegeleistungen integriert sind.

Das negierte auch Mitte-Ständerat Erich Ettlin nicht, der erklärte, für die Versicherten sei die Reform ohne Pflege günstiger, der Status quo aber am teuersten. Für die Kantone sei wiederum der Status quo am günstigsten und die Reform ohne Pflege am teuersten. «Sie sehen also, der Weg zur Lösung liegt irgendwo in der Mitte.»