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Tunesien

Tunesien: Droht ein Ende der Gewaltenteilung?

In Tunesien spitzt sich der Konflikt zwischen Justiz und Präsident Kais Saied weiter zu. Nach der umstrittenen Entlassung von Dutzenden Richtern ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen etliche von ihnen. Den 49 Richtern werden unter anderem Bestechung, Geldwäsche, Terrorismus und sexuelle Belästigung vorgeworfen, wie das Justizministerium am Samstag mitteilte.
Bild: Keystone/European Council/Dario Pignatelli

Saied hatte Anfang Juni insgesamt 57 Richter entlassen und ihnen unter anderem die Beteiligung an Korruption vorgeworfen. Kritiker halten die Gründe für vorgeschoben und vermuten eine politische Motivation hinter dem Schritt. Sie argumentieren, der Präsident wolle sich die alleinige Kontrolle über die Justiz des Landes sichern.

Viele Richter wehren sich dagegen. Ein Verwaltungsgericht setzte etwa kürzlich die von Saied angeordnete Entlassung der Richter aus - und ebnete ihnen damit den Weg, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Beobachter befürchten seit längerem ein Ende der Gewaltenteilung in dem nordafrikanischen Land. Amnesty International wirft Saied vor, politische Gegner unter anderem durch Verhaftungen abzustrafen.

Vor wenigen Tagen setzte Saied nach einer Volksabstimmung zudem eine neue, umstrittene Verfassung, die ihm weitreichende Machtbefugnisse garantiert, in Kraft. Der Staatschef kann nun ohne Zustimmung des Parlaments etwa die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen. Zuvor hatte er dies bereits per Dekret getan. Knapp 95 Prozent der Wähler hatten für die neue Verfassung gestimmt. Allerdings fiel die Wahlbeteiligung äusserst niedrig aus.

Tunesien galt lange als einziges Land, dem nach den arabischen Aufständen von 2011 der Übergang zur Demokratie gelungen ist. Politische Machtkämpfe, häufige Regierungswechsel und grassierende Korruption verhinderten aber einen dauerhaften Wandel. Viele Tunesier haben das Vertrauen in die Politik völlig verloren. (sda/dpa)