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Nordafrika

Steigende Leichenzahlen und Stromknappheit steigern die Seuchengefahr im Sudan 

Krieg, Wasserknappheit, Stromausfällen und Seuchengefahr, weil Leichenhallen nicht gekühlt werden können: Der Sudan steht am Rande einer humanitären Krise. 

Tausende von Leichen sollen in Khartum, der Hauptstadt des Sudans, auf offener Strasse liegen. Die Leichenhäuser befinden sich aufgrund unzureichender Kapazitäten am Rande der Belastungsgrenze.

Aufgrund von Stromausfällen können die Leichenhallen nicht richtig gekühlt werden, wodurch die Leichen durch die Hitze verwesen. Die Seuchenangst sitzt tief. So tief, dass sich kein medizinisches Personal mehr traut, sich um die Leichen zu kümmern, wie die Ärztegewerkschaft Sudanese Doctors Syndicate berichtet.

Der Arzt und Direktor für Gesundheit und Ernährung von Save the Children, Bashir Kamal Eldin Hamid, fühlt sich schuldig:

«Die Unfähigkeit, den Verstorbenen ein würdevolles Begräbnis zu ermöglichen, ist ein weiterer Grund für das Leid der Familien.»

Ohnehin hängt das Gesundheitssystem im Land am seidenen Faden: Ein Krankenhaus schliesst nach dem anderen, es mangelt an Ärztinnen und Ärzten. Medikamente werden geplündert. Blutkonserven fehlen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen hat der Konflikt im Sudan mehr als 3,1 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, von denen über 700.000 in die Nachbarländer geflohen sind.
Bild: Bild: Marie-Helena Laurent / AP

In den wenigen Gesundheitseinrichtungen, wo Menschen noch behandelt werden, ist das Personal am Anschlag. Von 89 Krankenhäusern seien seit Beginn des Konfliktes mindestens 70 zerstört worden, wie die Vereinten Nationen berichten.

Ein von Maxar Technologies zur Verfügung gestelltes Satellitenbild zeigt ein zerstörtes Flugzeug auf dem internationalen Flughafen von Khartum in Khartum, Sudan, am 17. April 2023.
Bild: Bild: Maxar Technologies Handout / EPA

Angst vor Cholera-Ausbruch

In der Hauptstadt ist Berichten zufolge kein Tag ohne schwere Artillerie- oder Luftangriffe vergangen, wobei auch Zivilisten getötet wurden. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Hauptstadt sind in ihren Häusern gefangen – praktisch ohne Strom und Wasser. Nun sind sie einer neuen Bedrohung ausgesetzt: der Seuchengefahr.

«Die Kombination aus steigenden Leichenzahlen, gravierender Wasserknappheit, nicht funktionierenden Hygiene- und Sanitäreinrichtungen sowie mangelnden Möglichkeiten zur Wasseraufbereitung schürt auch die Angst vor einem Cholera-Ausbruch in der Stadt», schildert Save the Children unter Berufung auf eine Ärztegewerkschaft . Die Hilfsorganisation leistet Hilfe vor Ort.

Sudanesische Flüchtlinge im Flüchtlingslager im Tschad, 1. Juli 2023.
Bild: Bild: Marie-Helena Laurent / AP

Keine Visa für medizinisches Notfallpersonal

Bei der Arbeit eingeschränkt ist derzeit auch das Team von Ärzte ohne Grenzen, das sich täglich um rund 15 Kriegsverletzte in zwei der übrig gebliebenen Krankenhäuser im Süden der Hauptstadt kümmert. Beinahe 20 Mitarbeiter sind Mitte Juni von bewaffneten Angreifern bedroht und misshandelt worden. Die Organisation hat sich trotz der Gefahr entschieden, im Land zu bleiben. Wie lange die Arbeit fortgeführt werden kann, ist allerdings ungewiss.

Die medizinische Nothilfe ist derzeit durch ausstehende Visaanträge gefährdet. «Ohne die Visavergabe durch die sudanesischen Behörden könnten wir bald gezwungen sein, unsere Unterstützung einzustellen», schreibt die Organisation auf X (ehemals Twitter). Das Notfallpersonal müsse regelmässig ausgetauscht werden und ohne Visum werde das einsatzbereite Team nicht in den Sudan aufbrechen.

Neben der Seuchengefahr sprechen die Vereinten Nationen von einer untragbaren Situation in Camps für Geflüchtete. Der Bedarf geht weit über das hinaus, was an verfügbaren Ressourcen geleistet werden kann, berichtet UNHCR . Es fehle an Nahrung und Medikamenten. Seit Beginn der Kämpfe seien über 300 Menschen, hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren, aufgrund von Masern und Unterernährung gestorben.

Nach zwei Jahrzehnten Krieg und Frieden sind im Sudan in diesem Jahr neue Kämpfe entfacht. Seit April kämpft die Armee gegen die einst verbündete paramilitärische Einheit Rapid Support Forces (RSF) um die Macht im Land. Fast 25 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen sind der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge auf humanitäre Hilfe angewiesen.