Er habe immer sehr gerne mit Frauen zusammengearbeitet, sagte Ueli Maurer an der Pressekonferenz, an der er seinen Rücktritt erklärte. Ob ein Mann oder eine Frau seine Nachfolge antrete, sei ihm gleich. So weit so gut. Dann schob der Finanzminister, der Ende Jahr seine Schlüssel fürs Bundeshaus abgeben wird, den Satz nach, der ihm jetzt in den sozialen Medien um die Ohren fliegt: «Solange es kein ‹Es› ist, geht es ja noch».
Am heftigsten und mit mutmasslich justiziablen Worten, da ehrverletzenden und nicht druckfähig, reagierte Jonas Kampus. Es sei Zeit, dass sich Maurer verpisse, twitterte das wohl bekannteste Gesicht der Schweizer Klimabewegung. Die Frage ans Finanzdepartement, ob Maurer rechtlich gegen den Tweet vorgehe, blieb bis Freitagabend unbeantwortet. Ehrverletzungsdelikte sind Antragsdelikte. Das heisst, dass die Strafverfolgungsbehörden nur bei einer Anzeige aktiv werden.
Weniger brachial als Kampus, aber auch sehr deutlich äusserte sich Dominik Waser. Der Zürcher Stadtparlamentarier (Grüne) und ehemalige Regierungsratskandidat bezeichnete Maurer als «transfeindlichen, alten Mann». Den entsprechenden Tweet garnierte er mit dem Hashtag #HauAbUeli. Waser bezeichnet sich auf seinem Twitter-Profil als Umweltschützer und Queerfeminist.
Andere formulierten die Kritik dezenter. Daniel Graf, Gründer der Plattform WeCollect, auf der Unterschriften für Initiativen und Referenden gesammelt werden, twitterte an Ueli Maurers Adresse: «Transphobie beschreibt die Angst und Ablehnung von Trans-Menschen, die zu Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung führen kann.»
Das Transgender Netzwerk Schweiz veröffentlichte am Abend eine Stellungnahme und schreibt von «Transfeindlichkeit im Bundesrat». Die Organisation verurteilt die Äusserung «aufs Schärfste» und verlangt eine Entschuldigung. Maurers Aussage könne nur so verstanden werden, dass er Personen, die nicht seiner Vorstellung von Mann und Frau entsprechen oder diesen Geschlechtern nicht angehören, jegliche Kompetenz für dieses Amt abspreche. «Ein solch offener Ausdruck von Transfeindlichkeit von einem höchsten Regierungsvertreter ist absolut inakzeptabel.»
Für die bekannte LGBTQ-Aktivistin Anna Rosenwasser ist klar: «Herr Maurers Aussage richtet sich klar gegen nonbinäre Menschen. Im Kontext wird deutlich, dass er die Aussage abwertend und abschätzig gemeint hat», schreibt sie auf Anfrage von CH Media. Damit habe sich ein abtretender Bundesrat transfeindlich geäussert. «Das Mindeste, was ich fordere, ist eine Stellungnahme von ihm.»
SVP-Nationalrat verteidigt Maurer
Nicht überall in der LGBTQ-Community ist die Aufregung über Maurer gross. Roman Heggli, Geschäftsleiter der Schwulenorganisation Pink Cross, mag den Vorfall nicht überbewerten und sagt. «Es ist eine dumme Aussage eines abgelöschten Bundesrats. Es lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen.»
Derweil nimmt der Schwyzer Nationalrat und SVP-Vizepräsident Marcel Dettling Parteikollege Ueli Mauer in Schutz. «Ich habe ihn nie als transfeindlich erlebt. Wahrscheinlich geht im die Woke-Debatte auf den Geist», sagt Dettling.