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Trauriger Rekord

So viele Gehörlose diskriminiert wie nie zuvor

Der Schweizerische Gehörlosenbund hat im vergangenen Jahr 127 Fälle von Diskriminierung gehörloser Menschen registriert – ein Rekord. Nun fordert er den Bundesrat zum Handeln auf.

Gehörlose fordern, dass die Gebärdensprache gesetzlich anerkannt wird. (Archivbild)
Bild: Keystone

In der Schweiz leben rund 10'000 vollständig gehörlose Menschen. Weitere bis zu 600'000 sind leicht bis hochgradig schwerhörig und gelten als hörbehindert. Genauere Zahlen gibt es laut dem Schweizerischen Gehörlosenbund (SGB) keine. Fakt ist: Der Rechtsdienst des SGB hat im vergangenen Jahr 127 Fälle von Diskriminierung gegenüber Gehörlosen bearbeitet – so viele wie noch nie. Das teilte der SGB am Mittwoch mit.

Im Vorjahr waren es noch 114 Fälle gewesen, 2020 deren 108. Gegenüber 2017 hat sich die Fallzahl sogar mehr als verdoppelt, wie es weiter heisst. Die meisten Diskriminierungen gab es in den Bereichen «Arbeit» (27 Fälle), «Bildung» (24) und «Gesundheit» (21). Von 6 auf 23 Fälle zugenommen hat der Bereich «Zugang zu Informationen und Kommunikation mit den Behörden».

Auf Dolmetschende für Gebärdensprachen angewiesen

Der SGB kritisiert, dass gehörlose Menschen immer noch «zu oft wissentlich ausgeschlossen» und ihnen die gleichen Rechte und Chancen verwehrt werden – obwohl gerade die Bereiche Arbeit, Bildung und Gesundheit für alle Menschen von zentraler Bedeutung seien. «Unser Bericht zeigt erneut einen empörenden Missstand auf», wird SGB-Geschäftsführer Harry Witzthum in der Mitteilung zitiert. «Hinter jedem Fall von Diskriminierung steht ein verzweifelter gehörloser Mensch, dem Unrecht widerfährt.» Diese Ungerechtigkeit sei sofort zu beheben.

Für den Verband ist die Finanzierung von Gebärdensprachendolmetschenden ein zentraler Aspekt. Denn die Betroffenen sind darauf angewiesen, in der Gebärdensprache kommunizieren zu können, um «gleichberechtigt» am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Allerdings werde ihnen dieser Zugang häufig verwehrt. Der SGB denkt dabei etwa an die Gesundheitsversorgung: Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient erfolge mangels Dolmetscher vielfach mit «Hand und Fuss». Daher bleibe vieles unverstanden.

Parlament will Gebärdensprachen gesetzlich anerkennen

Das Parlament hat sich der Problematik bereits angenommen. Es beschloss, dass die drei in der Schweiz genutzten Gebärdensprachen gesetzlich anerkannt werden sollen. Es handelt sich dabei um die Deutschschweizer Gebärdensprache, die Langue des signes française und die Lingua italiana dei segni. Der Ständerat hat sich in der Wintersession dem Nationalrat angeschlossen und eine entsprechende Motion überwiesen.

Der SGB fordert nun den Bundesrat auf, dass er den Auftrag des Parlaments schnellstmöglich umsetzt. Für ihn ist klar: «Gehörlose Menschen dürfen nicht länger diskriminiert werden.»