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Sie möchte das System ändern – in der Renten-«Arena» überbietet eine Grüne alle

In der SRF-«Arena» zur Revision der Pensionskasse wurde hitzig debattiert, provoziert und gelacht. Am meisten zu sagen, hatte die Zürcher Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber, die das Rentensystem kritisiert.

Beim Thema Geld wollen alle mitreden. Vor allem, wenn es darum geht, wie viel davon man monatlich erhält – speziell nach der Pensionierung.

Wie viel hat wer nach der Pensionierung? Darüber wurde in der Arena diskutiert. 
Bild: SRF

Erst im September wurde mit einer knappen Mehrheit vom Schweizer Stimmvolk die AHV-Reform angenommen. Wie es nun mit den Rentenzahlungen der zweiten Säule weitergeht, entscheidet bald der Ständerat. Er behandelt in der Wintersession ab nächster Woche die Reform der beruflichen Vorsorge.

Im Fokus steht dabei die Senkung des Umwandlungssatzes, womit die Renten kleiner werden. Aus diesem Anlass hat das SRF zur «Arena» über die Revision der Pensionskasse eingeladen. Zum «Rentenstreit reloaded» erschienen sind drei Nationalrätinnen und ein Ständerat:

Flavia Wasserfallen, Nationalrätin SP, Bern

Ruth Humbel, Nationalrätin Die Mitte, Aargau

Katharina Prelicz-Huber Nationalrätin Grüne, Zürich

Alex Kuprecht, Ständerat SVP, Schwyz

Besonders viel zu sagen hatte in dieser «Arena» die Zürcher Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber. Sie bestritt über den Abend verteilt am meisten Wortgefechte. Dabei setzte sie sich vor allem für die vom Bundesrat vorgelegte BVG-Reform ein und wetterte gegen die Rückweisung des Ständerats.

Diese kann auch ein Mitglied der kleinen Kammer nicht ganz nachvollziehen: «Ich persönlich habe nicht verstanden, weshalb es nochmals zurückgewiesen wurde», sagt zu Beginn der Sendung der Schwyzer SVP-Ständerat Alex Kuprecht. Es war gefühlt die einzige Gemeinsamkeit der beiden Politiker an diesem Abend.

20 Prozent weniger in 20 Jahren

Schon in den ersten Minuten stellt die Grünen-Nationalrätin Prelicz-Huber ihre Enttäuschung klar: «Ich finde es schade. Wir hätten einen Kompromiss gehabt, um tiefe und mittlere Renten zu erhöhen», sagt sie. Damit wäre man dem Verfassungsziel nähergekommen, den Lebensstandard in der Rente gewohnt weiterführen zu können.

Die Zürcherin betont, dass die Renten in der zweiten Säule in 20 Jahren um fast 20 Prozent gefallen seien. «Wenn man wirklich sofort die tiefen Renten erhöhen will, geht das nur mit einer Umlage», sagt Prelicz-Huber. Doch dies sei «zerzaust» worden.

Eine einfache Begründung, weshalb es dazu kam, liefert Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel. Sie bringt ein Beispiel eines 62-jährigen Banker, der mehr profitiert hätte als eine 25-jährige Verkäuferin. Die Grünen-Politikerin schliesst als Antwort die Augen und schüttelt den Kopf.

Daraufhin lenkt Moderator Grossniklaus die Debatte auf den BVG-Umwandlungssatz. Dieser soll von 6,8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden, womit die Renten kleiner würden.

Man könne den Menschen nicht zumuten, «den Gürtel noch enger zu schnallen», meint dazu die Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen. Für Ständerat Alex Kuprecht ist jedoch klar, dass der Umwandlungssatz sogar noch zu hoch sei. «Er müsste bei 5 bis 5,2 Prozent liegen», sagt Kuprecht.

Am System etwas ändern

Noch tiefere Renten? Jetzt aktiviert sich Prelicz-Huber erneut. Als sie etwas zu den Verwaltungskosten der BVG sagen will, versucht Kuprecht, sie zu unterbrechen. Sie entgegnet dem Ständerat: «Moment, ich will meinen Gedanken fertig machen».

Bei der AHV würden die Kosten 26 Franken pro Jahr pro Kopf betragen, bei der BVG seien es 1000, erläutert die Politikerin. Sie prangere deshalb auch das Kapitaldeckungsverfahren der beruflichen Vorsorge an: «Wir müssen systemisch etwas ändern», sagt Prelicz-Huber.

Jetzt ist Kuprecht an der Reihe, der seiner Kontrahentin vorhält, sie würde einen «grundsätzlichen Überlegungsfehler» machen. Er verweist auf die Abstimmung von 1972. Damals sei beschlossen worden, dass die erste Säule im Umlageverfahren und die zweite Säule im Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden sollen. Damit nicht das gleiche Problem in der BVG passiere wie in der AHV. Diese sei «instabil finanziert», sagt Kuprecht.

«Das ist nicht wahr, wir haben eine stabile Finanzierung der ersten Säule», kommt es sofort aus der Grünen Politikerin geschossen. «Hören Sie auf, Frau Prelicz-Huber», sagt der SVP-Ständerat leicht gereizt. Es vergeht rund eine Viertelstunde Sendezeit, bis die beiden wieder aneinandergeraten.

Davor kommen als Vertreter für die junge Generation Jill Nussbaumer, Vizepräsidentin Jungfreisinnige Schweiz, und Luzian Franzini, Präsident Gewerkschaftsbund Kanton Zug, zu Wort. Überhaupt sind zu Gast im Studio zahlreiche junge Zuschauer.

Für Franzini ist klar, dass die «Pensionskassen zu wenig erwirtschaften». Auch er spielt darauf an, das System zu ändern. «Ob in der Verfassung steht, Kapitaldeckungs- oder Umlageverfahren interessiert keine Person, die von Armut betroffen ist – und das sind 300’000 Rentnerinnen in der Schweiz», sagt er.

Dem entgegnet Nussbaumer, man habe in der Schweiz ein «bewährtes System». Dieses brauche lediglich «Verbesserungen».

Wer sich besser auskennt

Dann kommt wieder Prelicz-Huber zu Wort, welche die vom Bundesrat vorgelegte BVG-Reform verteidigen möchte, welches «deutlich günstiger für Tieflöhner» sei – als alle Modelle vom Nationalrat und Ständerat.

Durch die Worte der Grünen Politikerin fühlt sich Ständerat Kuprecht gedrängt, seine Fachkenntnisse auszuweisen. Er sagt: «Frau Prelicz-Huber, Sie können davon ausgehen, dass ich mich in der Materie relativ gut auskenne.»

Sie auch, entgegnet die Nationalrätin. Der Ständerat betont seine Erfahrung: «44 Jahre habe ich in dem Business gearbeitet.» Sie auch fast, kontert die Nationalrätin.

Den Schlagabtausch unterbricht SP-Politikerin Flavia Wasserfallen mit einem Vergleich: «Das Bundesratsmodell kostet etwas über 3 Milliarden Franken, das Ständerats- und Nationalratsmodell 2,9 Milliarden.»

Bei Ersterem würde die Übergangsgeneration mehr erhalten. Für die Bernerin sei deshalb klar, dass trotz ähnlich hohen Kosten etwas viel Ungerechteres gemacht würde im Ständeratsmodell.

Zum Thema Ungerechtigkeit hat auch Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel etwas zu sagen. «Meistens sind Frauen Tieflöhner», sagt die Aargauerin. Kurz zuvor hatte SRF-«Arena»-Moderator Mario Grossniklaus erklärt, «Tieflöhner und Frauen» seien die andere Frage, wenn man auf die berufliche Vorsorge blicke.

Für Humbel ist es dasselbe. Sie mache sich darum stark für das BVG-Modell des National- und Ständerats. Dies bringe vor allem den Frauen, die Teilzeit arbeiten würden, eine bessere Rente ein als die vom Bundesrat vorgelegte Reform.

Poetry-Slam zum Schluss

Was genau eine bessere Rente und vor allem eine «würdige Rente» ist, dazu hat wieder Katharina Prelicz-Huber etwas zu sagen. Mit Humbels Rechenbeispiel kann sie nicht viel anfangen. Diese fand nämlich, dass 18’000 Franken BVG-Rente pro Jahr «nicht einfach nichts» sei.

Die Grünen-Nationalrätin sagt: «Mehr als 50 Prozent der Pensionierten haben keine 3’500 Franken.» Für sie sei das nicht wirklich würdig. 18’000 Franken pro Jahr «sei nicht nichts», stimmt die Zürcherin zu und fügt an: «Doch es gibt noch immer eine tiefe Rente!»

Gegen Ende der «Arena» liefert noch SP-Wasserfallen eine verwirrende Argumentation, als sie über die Mängel der zweiten Säule spricht. Sie erzählt, dass Versicherer, welche Pensionskassengelder verwalten, 10 Prozent vom realisierten Gewinn behalten dürfen.

Dies wiederholte sie Sekunden später, aber anders: «Versicherer können 10 Prozent vom Umsatz behalten.»

Für den Lacher des Abends sorgte am Schluss die Satirikerin und Slam-Poetin Patti Basler. Sie verglich das Schweizer Vorsorgesystem mit den drei Spar-Säulen stellvertretend mit «drei Spar-Säuen».

Und sie sagte zu Ständerat Alex Kuprecht, der sich so leidenschaftlich für die Zukunft der Pensionskasse einsetzt: «Alex, nimm es easy, du wirst bei all dem nicht mehr debi sy».