notifications
Sonntagspresse

Sexuelle Belästigung, abgesagte Impfaktion und ein düsteres Kapitel der Schweiz

Für viele Mädchen aus dem bildungsfernen Milieu ist sexuelle Belästigung normal und die Opferrate hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Unterdessen ist eine grossangelegte Impfaktion abgesagt und eine Untersuchung zeigt, wie die Schweiz die Familien von Gastarbeitern trennte - die News der Sonntagspresse. 

Die Opferrate bei der sexuellen Nötigung unter den Mädchen aus dem bildungsfernen Milieu hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht: Das zeigt die aktuelle Zürcher Jugendbefragung. Selbst der Kriminologe Denis Ribeaud von der Uni Zürich, der die gross angelegten Befragungen seit 1999 durchführt, ist vom deutlichen Anstieg überrascht.

Gerade in bildungsfernen Milieus ist sexuelle Belästigung für viele Mädchen Alltag. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Er hat keine endgültige Erklärung dafür, aber ein paar Vermutungen. Unter anderem hat es mit dem hohen Migrationsanteil in den Sek-B-Klassen zu tun. Seit Beginn der #MeToo-Debatte wurde der Eindruck erweckt, es handle sich um ein elitäres Problem, denn es war vorab von betroffenen Schauspielerinnen, Ärztinnen oder Politikerinnen die Rede – von den wenig privilegierten Mädchen oder den Migrantinnen sprach niemand.

Die SonntagsZeitung besuchte eine Sek B im Kanton Zürich und erfuhr, wie «normal» für diese Mädchen sexuelle Belästigung im Alltag ist – und wie sie damit umgehen.

Bund sagt grossangelegte Impfaktion ab

Im Spätsommer 2020, wenige Monate nach Ausbruch der Pandemie, wollte die Schweiz analog zu England alle Kinder gegen die Grippe impfen und zwar mittels Nasenspray. Jetzt kurz vor beginn der Grippewelle, sind rund 10’000 Dosen von AstraZeneca eingetroffen. So, wie es Swissmedic bewilligt hat. So, wie es eigentlich vorgesehen war. Doch ob sie zum Einsatz kommen, ist höchst ungewiss. Das BAG will heute von einem grossangelegten Impfprogramm nichts mehr wissen, wie die SonntagsZeitung erfahren hat.

Jetzt wird doch auf die grossangelegte Impfaktion verzichtet.
Bild: Keystone

Statt den Impfstoff allen Kindern zur Verfügung zu stellen, sollen nur noch Risikopatienten und solche mit nachweisbarer Spritzenangst davon profitieren. Und das auch nur, wenn der Preis pro Dosis nicht mehr als 16.90 Franken beträgt. Aufgrund dessen hat AstraZeneca beschlossen, die Markteinführung des Nasensprays zu stoppen. «Wir bedauern das sehr», sagt Schweiz Chefin Katrien De Vos. Aber so, wie es das BAG vorschreibe, mache die Einführung wenig Sinn.

Statt die Nasensprays verfallen zu lassen, will AstraZeneca sie nun Kinderspitälern oder auch Praxen spenden. Ein entsprechendes Spenden-Gesuch bei Swissmedic ist hängig.

Wie die Schweiz die Familien von Gastarbeitern trennte

Unterdessen beginnt die Wissenschaft, ein düsteres Kapitel der Schweizer Geschichte aufzuarbeiten: den Umgang mit Gastarbeitern und ihren Kindern. Bis zur Aufhebung des Saisonnierstatuts 2002 war es ausländischen Arbeitskräften mit einer befristeten Bewilligung nicht erlaubt, ihre Familien mitzunehmen.

Nun zeigt eine neue Untersuchung, über welche die «NZZ am Sonntag» berichtet: Es waren viel mehr Familien von dieser Politik betroffen, als bisher bekannt war. Insgesamt lebten zwischen 1949 und 1975 rund 500’000 Kinder getrennt von ihren Eltern – in Heimen oder bei Verwandten im Herkunftsland. Bis zu 50’000 Kinder von Gastarbeitern mussten sich in der Schweiz vor den Behörden verstecken.

Zu diesem Schluss kommt der Genfer Migrationshistoriker Toni Ricciardi im Rahmen eines Projekts des Nationalen Forschungsprogramms «Fürsorge und Zwang». Vertreter von Betroffenen fordern nun eine Aufarbeitung und eine Entschuldigung durch die Behörden.

ETH-Ökonom Jan-Egbert Sturm: «Die Schweizer Wirtschaft wird stagnieren»

Der ETH-Ökonom Jan-Egbert Sturm sieht für die Schweiz einen harten Winter mit stagnierender Wirtschaft voraus. «Bis im Frühling rechne ich aufgrund der steigenden Strompreise mit Inflationsraten von bis zu 3,5 Prozent. Danach sollte sich die Lage beruhigen», sagt er im Interview mit SonntagsBlick.

Die steigenden Strompreise haben auch Folgen für die Wirtschaft.
Bild: Keystone

Vieles hänge von der Energieversorgung ab: «Wenn Putin weiter am Gashahn dreht und auf europäischem Boden nicht mehr genügend Strom produziert wird, dürfte uns die Teuerung weiterhin konjunkturell belasten.» Mit Blick auf die Weltwirtschaft beobachtet der Ökonom «erhebliche» Unsicherheiten: «Es findet tatsächlich eine Blockbildung in ausgeprägtem Masse statt.

Das erhöht die politischen Risiken für Unternehmen und veranlasst sie, sich neu zu orientieren, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es in Zukunft weniger internatio­nalen Handel gibt – er wird nur teilweise zwischen einer kleineren Gruppe von Ländern stattfinden», so Sturm weiter.

Während Deutschland, der wichtigste Handelspartner der Schweiz, im Winter in eine Rezession rutschen wird, bleibt Sturm für die Schweiz verhalten optimistisch. Er sagt aber auch: «Wenn die deutsche Auto­industrie hustet, erkälten sich auch die hiesigen Zulieferer. Noch etwas stärker leiden werden Unternehmen, die Investitionsgüter herstellen, die Maschinenindustrie zum Beispiel.»