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Sonntagspresse

Schweizer Spionagetechnik in Katar, wütenden Strombranche und mangelhafter Schutz vor Sabotage in der Gasversorgung

Hightechgeräte, mit denen Handys angezapft und abgehört werden können, sollen für sech Millionen Franken aus der Schweiz nach Katar exportiert worden sein. Der Stromriesen Axpo hatte so teuer geboten, dass der Bund bei ihm keinerlei Reserven einkaufte. Das ärgert die Strombranche. Und die Infrastruktur der Schweizer Gasversorgung ist vor Sabotage-Angriffen nicht gut genug gesichert – die News der Sonntagspresse.

Bild: Keystone/Nicole Nars-Zimmer/Alexandra Wey

Katar wollte Schweizer Spionagetechnik – Bund gab grünes Licht

Katar spioniert und überwacht. Jetzt zeigen Recherchen vom SonntagsBlick: Das WM-Gastgeberland bemühte sich in der Schweiz um Überwachungstechnik. 2014 meldeten sich Vertreter der katarischen Armee bei der Firma Boger Electronics im appenzellischen Gais. Das Emirat interessierte sich für sogenannte IMSI-Catcher. Das sind Hightechgeräte, mit denen Handys angezapft und abgehört werden können. Noch im selben Jahr reichte die Schweizer Firma beim Bund ein Gesuch für den Export der Überwachungsgeräte ein.

Der Wert der geplanten Lieferung betrug sechs Millionen Franken und sollte nach Doha, die Hauptstadt Katars, geliefert werden. Im November 2014 gab das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) dann grünes Licht. Offenbar hatten weder das Aussendepartement (EDA) noch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Einwände gegen den Export. Seco-Sprecher Fabian Maienfisch bestätigt die Bewilligung und sagt: «Es handelte sich um IMSI-Catcher für die katarische Armee.»

Vor wenigen Wochen enthüllte die Agenur Associated Press, wie Katar 2014 ein Handy-Überwachungssystem für die WM plante. Der Geschäftsführer der Appenzeller Firma räumt gegenüber SonntagsBlick zwar ein, dass Katar sich für seine IMSI-Catcher interessierte. Geliefert habe man diese aber nie. «Der Bund brauchte lange, um unser Bewilligungsgesuch zu prüfen. In dieser Zeit beschaffte sich Katar die Technik wohl in einem anderen Land.» Überprüfen liess sich diese Aussage laut SonntagsBlick nicht.

Die Strombranche ist sauer auf die Axpo

Die Schweiz wappnet sich gegen drohende Stromausfälle. Eine der wichtigsten Massnahmen ist die Schaffung einer Wasserkraftreserve. Die Strommarktaufsicht ElCom hat dafür vor kurzem eine Auktion durchgeführt. Ziel war es, bei den Betreibern der Schweizer Stauanlagen 500 Gigawattstunden (GWh) Strom für den absoluten Notfall einzukaufen. Die ElCom schaffte das nicht, obwohl die Schweiz mitten in der gefährlichsten Energiekrise seit dem Ölschock in den 1970ern steckt.

Ende Oktober gab sie bekannt, sie habe nur 400 GWh gesichert. Das Auktionsergebnis sorgt für Unruhe in der Schweizer Strombranche. «Die Schweizer Wasserkraftwerke produzieren pro Jahr 35 Terawattstunden Strom», sagt Alpiq-Vizechef Michael Wider in der «NZZ am Sonntag» . Die vom Bund ausgeschriebene Reserve von 500 GWh hätte nur gerade 1,4% davon betragen.

Obwohl dem Land eine Mangellage drohe, habe es die Branche nicht geschafft, ihre Gebote so auszugestalten, dass der Bund die gesamte anvisierte Menge einkaufen konnte. «Eine solche könnte dazu führen, dass Haushalten und Firmen der Strom abgestellt wird. Der Ausgang der Auktion wirft deshalb kein gutes Licht auf unsere Branche», sagt Wider.

Der Ärger der Stromfirmen richtet sich dabei gegen den Stromriesen Axpo, denn dieser hatte so teuer geboten, dass der Bund bei ihm keinerlei Reserven einkaufte. Die Axpo zeigt sich auf Anfrage zerknirscht. «Wir sind froh, dass die Reserve zustande gekommen ist, bedauern es allerdings sehr, dass wir keinen Zuschlag erhalten haben», so Axpo-Sprecher Martin Stucki. «Dies entspricht nicht unserem eigenen Anspruch, stets einen hohen Beitrag an die Versorgung der Schweiz zu leisten.»

Schweizer Gasversorgung: mangelhafter Schutz vor Sabotage

Ein bisher unveröffentlichter, interner Bericht des Bundes fördert Brisantes zutage: Der Schutz der Schweizer Gasversorgung ist mangelhaft. Die Infrastruktur sei vor Sabotage-Angriffen nicht gut genug gesichert, heisst es im in der «Risiko- und Verwundbarkeitsanalyse» zur Erdgasversorgung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS) und des Bundesamtes für Energie von Juli 2021.

Die «NZZ am Sonntag» konnte dank dem Öffentlichkeitsgesetz eine teilweise geschwärzte Version des Dokuments einsehen. Um die oberflächlichen Anlagen des Gasnetzes besser zu sichern, fordern die Experten des Bundes Mindeststandards beim baulichen Schutz. Und sie fordern Personensicherheitsprüfungen für die Mitarbeitenden der Leitstellen des Gasnetzes. Das sind Personen, die dank ihrem Insiderwissen potenziell riesigen Schaden anrichten können, falls sie schlechte Absichten haben.

Zum soll eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, mit der die Hochdruck-Betreiber verpflichtet werden, ausgewählte Mitarbeitende im Bereich des Dispatchings einer Personensicherheitsprüfung zu unterziehen. Somit könne ein Beitrag zur Reduktion der Risiken durch Innentäter geleistet werden. Der Bundesrats lässt aufgrund des Berichts nun das Gasversorgungsgesetz noch einmal überarbeiten.