notifications
PARIS

Scholz Besuch bei Macron kann nicht darüber hinwegtäuschen: Deutsch-französische Ehekrise schwächt Europa

Zwischen Deutschland und Paris liegt einiges im Argen und es ist nicht klar, ob sich das so schnell wieder einrenkt. Im Kreml sieht man das besonders gern.

Ein freundlicher Empfang in Paris bei Präsident Emmanuel Macron (r): Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (l) und der Franzose haben kein einfaches Verhältnis.
Bild: Antoine Gyori - Corbis / Corbis News

Wie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz mit einen schwierigen Gast umgeht, konnte man vor zwei Wochen beobachten: Als der ungarische Problempolitiker Viktor Orban Scholz in Berlin besuchte, gabs nachher nicht einmal eine Pressekonferenz. Nun, da Scholz selbst zu Macron nach Paris reiste, war offensichtlich er selbst der Problempolitiker. Macron jedenfalls liess dem Deutschen die Orban-Behandlung zukommen und sagte eine gemeinsame Pressekonferenz kurzerhand ab.

Die Episode zeigt, wie schlecht es um die deutsch-französischen Beziehungen mittlerweile steht. Rüstungspolitik, Energiepolitik, Wirtschaft, ja selbst Europapolitik: Nirgends ist man sich einig. Ein für diese Woche angesetztes bilaterales Ministertreffen musste überstürzt abgesagt werden.

Den Höhepunkt lieferte Macron am Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs letzten Donnerstag. Vor aller Weltöffentlichkeit warnte der Franzose, Scholz begebe sich mit seiner eigenbrötlerischen Haltung in Europa in die «Isolation». Jetzt also die Entspannungsübung bei einem dreistündigen Essen im «Salle des Portraits» im Elyseepalast. 20 Minuten sprachen die beiden anschliessend noch unter vier Augen, mit dem Ziel, auch persönlich die Wogen zu glätten.

Ist die Freundschaft nur ein «Mythos»?

Im Nachgang hiess es von deutscher Seite, alles sei in Ordnung. Man habe sich «sehr partnerschaftlich» und sehr intensiv unterhalten, «in erheblichem Kontrast zur medialen Lage rund um dieses Treffen». Ob es die französische Seite auch so sah, blieb vorerst dahingestellt.

Klar ist aber: In Frankreich sorgt man sich immer mehr um den Bestand der deutsch-französischen Freundschaft, die französische Zeitungen in Kommentaren in den letzten Tagen zunehmend als «Mythos» beschrieben. Besonders verheerend ist: Scholz lässt in Paris den Eindruck entstehen, dass ihm seine französischen Partner schlicht und einfach egal sind.

Käme es wirklich zu einer «Zeitenwende» und einem Umfallen des deutsch-französischen «Tandems» würde sich das Gleichgewicht auf dem Kontinent noch stärker nach Osten verlagern, als es jetzt im Zuge des Krieges in der Ukraine schon geschehen ist. Mit ihrer ambivalenten, teils zögerlichen Haltung zu Anfang des Krieges haben sowohl Berlin als auch Paris dort viel Vertrauen verspielt.

Unterdessen scheint man im Baltikum und in Polen mehr auf die USA als das alte «Kerneuropa» als verlässlichen Partner zu setzen. Diese Fragmentierung sieht man in Brüssel mit Sorge. Die Angst ist, dass Deutschland und Frankreich mit ihrem Zwist schlussendlich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände spielen, der seit je her an einem schwachen, gespaltenen Europa interessiert ist.