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Wahlkampf

Schnellstart in den Wahlkampf: Planten Bauern und Wirtschaft ein Buebetrickli bei der Politikfinanzierung?

Die Allianz aus Wirtschaftsverbänden und Bauernverband startete ihre Wahlkampagne, als die neuen Transparenzregeln noch nicht in Kraft waren. Zufall oder Absicht? Das Bündnis widerspricht – und macht ein weitgehendes Versprechen.

Die Präsidenten der vier Verbände stellen die Kampagne vor: Fabio Regazzi (Gewerbeverband), Valentin Vogt (Arbeitgeberverband), Christoph Mäder (Economiesuisse) und Markus Ritter (Bauernverband).
Bild: Anthony Anex / Keystone (Bern: 7.10.2022)

Manchmal ist ein Datum wichtig. In diesem Fall ist es entscheidend: Seit dem 23. Oktober 2022 gelten in der Schweiz neue Transparenzregeln für Wahlkampagnen. Ein Jahr vor den nationalen Wahlen traten sie in Kraft, um ein gut gehütetes Geheimnis zu lüften – zumindest ein Stück weit: Wer nimmt wie viel Geld in die Hand, um Parteien oder Kandierende zu bewerben?

Ausgerechnet eine finanzstarke Allianz hat ihre Kampagne jedoch lanciert, bevor die neuen Vorschriften galten: der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der Gewerbeverband, der Arbeitgeberverband und der Bauernverband. Nach einem gemeinsamen Abstimmungskampf spannen sie auch für die Wahlen zusammen. Ihre Kampagne «Perspektive Schweiz» soll «das Bewusstsein für wirtschaftliche und landwirtschaftliche Themen steigern sowie als Plattform für die National- und Ständeratswahlen dienen», wie sie ankündigten.

Lanciert wurde die Kampagne Anfang Oktober – bevor die neuen Transparenzvorschriften griffen. Die vier Verbände müssen daher nicht offenlegen, wie viel Geld sie vor dem 23. Oktober 2022 in die Kampagnenkasse steckten. Wie das Bundesamt für Justiz bestätigt, gibt es keine Verpflichtung, Zuwendungen zu melden, die vor diesem Datum erfolgt sind.

Nationalrat Kilian Baumann (Grüne/BE).
Bild: Gaetan Bally / KEYSTONE

Politische Gegner vermuten dahinter einen unredlichen Schachzug. Der Grüne Nationalrat Kilian Baumann äusserte diesen Verdacht in einem Blogbeitrag über das Bündnis wie folgt: «Dass bis zu den Wahlen 2023 mit weiteren Winkelzügen zu rechnen ist, zeigt schon der ungewöhnlich frühe Kampagnenstart von ‹Perspektive Schweiz›. Die Geld-und-Gülle-Allianz kann so die neuen Transparenzregeln (...) umgehen und muss ihre Kampagnenfinanzierung nicht offenlegen.»

Wie kommt Baumann auf diesen Vorwurf? Der Berner Grüne verweist auf die Zeitschrift «Beobachter». Diese hatte Ende Oktober berichtet, die vier Verbände könnten dank des frühen Kampagnenstarts «die Kosten geheim halten». Im Artikel kommt auch die Allianz zu Wort, den Verdacht kann sie aber nicht ausräumen: Man sei sich der neuen Bestimmungen bewusst und werde diese korrekt erfüllen, heisst es lediglich.

«Werden Budget der gesamten Kampagne offenlegen»

Auf Anfrage dieser Zeitung wird die Allianz nun deutlicher. Die Spekulationen, mit dem frühen Kampagnenstart die Vorschriften umgehen zu wollen, weist sie zurück. «Dieser Vorwurf ist haltlos», schreibt Roberto Colonnello, Leiter Kampagnen und Mitglied der Geschäftsleitung im Wirtschaftsdachverband Economiesuisse.

«Wir wollten mit unserer Sensibilisierungskampagne für Wirtschafts- und Landwirtschaftsthemen möglichst früh Aufmerksamkeit erzielen, und zwar bevor andere Organisationen ihre Wahlkampagne lancieren.» Und: Die Transparenzvorschriften würden selbstverständlich eingehalten.

Doch was heisst das konkret für die Zeit vor dem 23. Oktober? Auf Nachfrage erklärt Kampagnenleiter Josef Marty: «Wir werden das Budget der gesamten Kampagne offenlegen – also auch die eingesetzten Mittel vor dem 23.10.2022.»

Die Allianz verspricht demnach, freiwillig mehr Transparenz zu schaffen, als sie müsste. Ob sie das schon länger geplant oder nun auf Druck hin entschieden hat, dürfte ihr Geheimnis bleiben. Der Grüne Kilian Baumann freut sich jedenfalls über die angekündigte Transparenz: «Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger erfahren, wer wie viel Geld in die Kampagne steckt.»

Genau das ist das Ziel der neuen Transparenzregeln, die das Parlament letztes Jahr beschlossen hat. Wer mehr als 50’000 Franken für eine Wahlkampagne ausgibt, muss unter anderem die Schlussrechnung der Einnahmen offenlegen. Bei Beträgen ab 15’000 Franken muss der Spender genannt werden. Der erste Test für die neuen Vorschriften sind die nationalen Wahlen – am 22. Oktober 2023.