Was ist am Samstag passiert?
Es flogen Fäuste, Steine, es wurde mit Stöcken hantiert. Ein wüster Streit unter Hunderten Eritreern forderte am Samstag im Glattpark in Opfikon ZH fünf leicht und sieben mittelschwer Verletzte. Die Polizei verhinderte mit einem Grossaufgebot Schlimmeres. Etwa zwei Stunden lang dauerte die Auseinandersetzung. Um etwa 20 Uhr gelang es den Ordnungskräften, die beiden Gruppierungen zum friedlichen Verlassen des Glattparks zu bewegen, wie die Zürcher Kantonspolizei mitteilte.
Der Konflikt entbrannte zwischen Anhängern des eritreischen Diktators Isaias Afewerki und Regimegegnern. Freunde des Diktators wollten am Samstag zunächst in Oberuzwil SG ein Festival durchführen in Gedenken an den Unabhängigkeitskrieg gegen Äthiopien, der am 1. September 1961 begann. Okbaab Tesfamariam, Sprecher beim eritreischen Medienbund Schweiz, kritisiert, die Schweizer Behörden hätten die Warnungen der Regimegegner zu wenig ernst genommen. Es sei nicht das erste Mal, dass das Afewerki-Lager Gewalt entfacht habe. Die Schweizer Behörden müssten solche Propagandaanlässe unterbinden.
Auch in Tel Aviv und in der norwegischen Stadt Bergen kam es am Wochenende zu Ausschreitungen. In der deutschen Stadt Giessen mündete im Juli ein von Regimeanhängern organisiertes Festival in Krawallen. Der gemeinsame Nenner: Es standen sich Anhänger und Gegner der Diktatur gegenüber.
Wie viele Eritreer leben in der Schweiz?
Gemäss dem Bundesamt für Statistik zählen 42’000 Eritreer zur ständigen Wohnbevölkerung. Weitere 8700 befinden sich im Asylprozess. Insgesamt leben derzeit etwas mehr als 50’000 Eritreer in der Schweiz. Eritrea liegt im Osten Afrikas und zählt gemäss Schätzungen 6,5 Millionen Einwohner. Das Land wurde 1993 unabhängig von Äthiopien. Langzeitdiktator Isaias Afewerki regiert mit eiserner Hand und foutiert sich um Menschenrechte. In dem Willkürregime werden Soldaten auf unbestimmte Zeit in den Nationaldienst eingezogen. Die Wirtschaft liegt darnieder.
Wann sind die Eritreer in die Schweiz gekommen?
Viele regimetreue Eritreer haben während des 30-jährigen Unabhängigkeitskrieges auf der Seite Afewerkis gekämpft und verliessen das Land, weil sie von Äthiopien verfolgt wurden. Es handelt sich um die sogenannt erste Generation der Eritrea-Flüchtlinge. Die Zahl war nicht sehr hoch. So lebten im Jahr 2000 nur 600 Eritreer in der Schweiz (ständige Wohnbevölkerung). Ende 2005 entschied die Asylrekurskommission, dass eritreische Wehrdienstverweigerer als Flüchtlinge anerkannt werden müssen. In der Folge stammten während Jahren die meisten Asylgesuche von Eritreern. Anders als die erste Flüchtlingsgeneration flohen diese Menschen vor dem Regime Afewerki. Aktuell reichen nicht mehr Eritreer, sondern Türken und Afghanen die meisten Asylgesuche ein.
Woher rühren die Spannungen in der Diaspora?
Eduard Gnesa wirkte früher als Direktor des Bundesamtes für Migration und als Sonderbotschafter für internationale Migrationszusammenarbeit. Der Walliser ist noch heute im Bereich Migration als Berater tätig und sagt: «Innerhalb der eritreischen Diaspora in der Schweiz bestehen seit langem erhebliche Spannungen zwischen Regimetreuen und Regimegegnern.» In den Augen der ersten Flüchtlingsgeneration würden nämlich jene Menschen, die aus dem von Äthiopien unabhängigen Eritrea geflohen seien, die nationale Sache verraten.
Okaab Tesfamariam wurde in Eritrea geboren und flüchtete 2008 in die Schweiz und ist Schweizer Bürger. Der Sprecher beim eritreischen Medienbund Schweiz sagt, der Arm des Diktators reiche auch in die Schweiz. Das Regime versuche, Zwietracht in der Diaspora zu säen. «Es befeuert systematisch die Spaltung.» Dass Unrechtsstaaten ihre ins Ausland geflohenen Landsleute ausspionieren, ist notorisch. CH Media berichtete erst vor kurzem ausführlich darüber, dass als Flüchtlinge getarnte eritreische Spione in der Schweiz agieren. Sie erpressen zum Beispiel seit Jahren Steuern von Landsleuten, die nach einem «Besuch» eines Spitzels zudem fürchten müssen, ihren Angehörigen in Eritrea könnte etwas zustossen. Bei der Steuer handelt es sich um eine sogenannte 2-Prozent-Aufbausteuer. Laut Tesfamariam wird sie zudem von allen Eritreern eingezogen, die auf eine konsularische Dienstleistung der eritreischen Botschaft in Genf angewiesen sind.
Wie verläuft die Integration von Eritreern in der Schweiz?
Bei der Integration in den Arbeitsmarkt hat es noch Luft nach oben. Die Erwerbsquote von Eritreern beträgt 59,2 Prozent bei einem schweizweiten Durchschnitt von 83,5 Prozent. Eritreer sind zudem überdurchschnittlich oft und häufiger als andere Flüchtlingsgruppen auf Sozialhilfe angewiesen. Bei den Eritreern kämen ausserdem verschiedene Faktoren zusammen, welche die Integrationsarbeit erschweren, schreibt das Staatssekretariat für Migration. Viele Eritreer verfügten nur über eine geringe Bildung. Die sprachlichen und kulturellen Barrieren seien gross. Die meisten Eritreer seien auch nicht mit unserer Schrift vertraut und müssten deshalb neu «alphabetisiert» werden. Migrationsexperte Gnesa ergänzt, das diktatorische Regime in der Heimat führe zu Perspektivlosigkeit und zur Flucht. kk