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Internationale Kritik

Russengelder: Bundesrat bekommt Brief von G7-Staaten

Dicke Post für den Bundesrat: Die G7-Staaten haben sich mit einem Schreiben an die Landesregierung gewandt. Die führenden westlichen Wirtschaftsmächte sind unzufrieden mit der Umsetzung der Russlandsanktionen.

Die G7-Staaten haben sich mittels Brief an den Bundesrat gewandt. Im Bild der amerikanische Präsident Joe Biden (rechts) und der japanische Premierminister Fumio Kishida.
Bild: Keystone

Die G7-Staaten sind nicht glücklich damit, wie die Schweiz die Russlandsanktionen umsetzt. Wie von dieser Zeitung bereits angekündigt , haben die sieben bedeutendsten, westlichen Industriestaaten dem Bundesrat nun ein Schreiben zukommen lassen. Das Bundesamt für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) bestätigte am Donnerstag gegenüber CH Media einen entsprechenden Bericht der «Handelszeitung» .

Der Bundesrat habe Kenntnis von einem Schreiben in Sachen «Russian Elites, Proxies and Oligarchs»-Taskforce (Repo), teilte das WBF mit. Unterzeichnet wurde der Brief von diplomatischen Vertretern aus Frankreich, Italien, Deutschland, USA, Kanada, Japan sowie dem Vereinigten Königreich – und wie CH Media weiss auch von der EU respektive deren Botschafter in Bern. Die Landesregierung habe den Brief noch nicht besprochen, heisst es weiter. Allerdings wies sie das Schreiben «für eine erste Analyse» dem WBF und dem federführenden Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zu.

Zum genauen Inhalt des Briefs äussert sich das WBF nicht. Allerdings betont das Bundesamt, dass «die diplomatischen Gepflogenheiten» nicht eingehalten worden seien. Der Bundesrat bedauere die Tatsache, «dass verschiedene Medien von diesem Schreiben vor der Möglichkeit einer Richtigstellung Kenntnis erhalten haben».

Kritik an passiver und verhaltener Schweiz

Gemäss verschiedenen Quellen haben die G7-Staaten das Gefühl, die Schweiz verhalte sich passiv und könne weit mehr tun bei der Umsetzung der Sanktionen – beispielsweise bei der Suche nach Vermögenswerten von sanktionierten Russen. Für Ärger soll auch gesorgt haben, dass der Bundesrat Mitte Februar verkündete, man werde in der Schweiz keine gesperrten Vermögen von russischen Oligarchen konfiszieren .

Die Repo-Taskforce der G7 und Australien soll die Zusammenarbeit bezüglich der Sanktionen gegen russische Eliten fördern. Die von den USA angeführte Gruppe lotet wie auch die sogenannte «Freeze and Seize»-Taskforce auf EU-Ebene die Möglichkeit aus, blockierte Russengelder nutzbar zu machen. Die Vermögen sollen der Ukraine für den Wiederaufbau zur Verfügung stehen.

Die Schweiz hat allerdings bisher kein Interesse daran gezeigt, an der Repo-Taskforce teilzunehmen – trotz Drängen der USA. Der Grund: Seit Lancierung des sich noch im Aufbau befindlichen Gremiums sei ausser den G7 kein anderes Land beigetreten, teilte das Seco Ende März mit. Bei der EU-Taskforce «Freeze and Seize» nehme man hingegen «regelmässig aktiv an Treffen von Untergruppen» teil.

Handlungsbedarf darüber hinaus sieht man anscheinend keinen: Laut Seco hat die EU-Kommission «ausdrücklich festgehalten», dass sie den Beitrag der Schweiz zur Stärkung der Wirksamkeit der Sanktionsdurchsetzung in ganz Europa sehr begrüsse.

Nicht klar, wie viel russisches Staatsgeld in der Schweiz liegt

International tut sich zudem einiges, die über 300 Milliarden Euro an blockierten russischen Zentralbankreserven nutzbar zu machen. Die EU-Kommission bereitete diesbezüglich in einem internen Konzeptpapier Varianten aus – etwa die Zentralbankmilliarden nicht direkt zu konfiszieren, sondern an den Finanzmärkten zu investieren und die Profite abzuschöpfen. Auch dazu könne sich das Seco nicht äussern.

Unklar ist auch, wie viele russische Staatsgelder sich in der Schweiz befinden. Erst mit der Übernahme des zehnten EU-Sanktionspakets durch den Bundesrat Ende März gibt es neu eine Meldepflicht über hiesige Vermögenswerte der russischen Zentralbank. Personen oder Organisationen, welche solche Gelder halten oder kontrollieren, müssen diese bis zum 12. April dem Seco melden.

Internationaler Druck kommt für Schweiz nicht überraschend

Dass die Schweiz international unter Druck gerät, kommt nicht überraschend. Das zeigt ein Blick in jenen geheimen Bericht, den Aussenminister Ignazio Cassis im September dem Bundesrat vorgelegt hat – und mit dem er die Neutralitätspolitik unter dem Schlagwort «kooperative Neutralität» neu ausrichten wollte.

So heisst es gleich im ersten Abschnitt: «Partnerstaaten bekunden Mühe, Sinn und Zweck einer neutralen Position zu verstehen, (...) wenn es sich wie bei der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine um einen direkten Angriff auf das freiheitliche Wertesystem und die internationale Ordnung handelt.» Und im letzten Abschnitt: «Die Neutralität darf nicht als eigenbrötlerisch wahrgenommen werden.» (abi/rh./sbü)