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Sozialversicherungen

Richterliche Genehmigung für Observationen

Sozialdetektive sollen IV-Rentner bei Verdacht auf Missbrauch observieren und mit GPS-Peilsendern überwachen dürfen - allerdings nur mit richterlicher Genehmigung. Das will die Sozialkommission des Nationalrates (SPK).
IV-Rentner sollen auch auf ihrem Balkon beobachtet werden dürfen. Die Nationalratskommission will Observationen und GPS-Tracker zulassen, aber eine richterliche Genehmigung verlangen. (Symbolbild)
Bild: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Wie der Ständerat will auch die Nationalratskommission neben Bild- und Tonaufnahmen technische Instrumente zur Standortbestimmung erlauben. Sie folgte der kleinen Kammer mit 16 zu 9 Stimmen, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten.

Geht es nach der Nationalratskommission, müssen aber alle Observationen von einer Richterin oder einem Richter das kantonalen Versicherungsgerichts genehmigt werden - unabhängig von den eingesetzten Instrumenten. Das entschied die Kommission mit 12 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Der Ständerat möchte nur für den Einsatz von GPS-Trackern eine richterliche Genehmigung verlangen.

Auch auf dem Balkon

Observationen sollen nicht auf allgemein zugängliche Orte wie Strassen und Parks beschränkt werden. Sie sollen auch an Orten wie Balkonen zulässig sein, die von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar sind. In diesem Punkt folgte die Nationalratskommission mit 17 zu 7 Stimmen dem Ständerat.

Eine Minderheit lehnt den Observationsartikel ab. Derart heikle Eingriffe in die Privatsphäre von verletzlichen Personen müssten in der Strafprozessordnung geregelt werden, argumentieren die Gegnerinnen und Gegner. Die Kommission will die Detailberatung an ihrer nächsten Sitzung abschliessen.

Verhältnismässigkeit wahren

Der Bundesrat hatte Instrumente zur Standortbestimmung nicht zulassen wollen. Innenminister Alain Berset wies im Ständerat auf den Schutz der Privatsphäre und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit hin.

Er erinnerte auch daran, dass potenziell viele Menschen betroffen seien. Die Regeln gelten nicht nur für die IV, sondern auch für die AHV sowie die Unfall-, Arbeitslosen-, und Krankenversicherung. Ausserdem sei unklar, welche technischen Instrumente erlaubt wären.

Fehlende Grundlage

Die Gesetzgebungsarbeiten gehen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zurück. Dieser hatte festgestellt, dass in der Schweiz eine klare und detaillierte gesetzliche Grundlage zur Observation von Versicherten fehlt. Wegen des Urteils mussten die IV und die Unfallversicherer ihre Beobachtungen einstellen.

Um diese wieder zu ermöglichen, wollte der Bundesrat im Rahmen einer Reform des Sozialversicherungsrechts eine gesetzliche Grundlage schaffen. Die Ständeratskommission beschloss aber, das Verfahren zu beschleunigen. Sie löste den Observationsartikel aus dem Reformpaket heraus und ergänzte diesen. (sda)