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Tierschutz

Paradigmenwechsel: Ständerat gibt Wolf zum Abschuss frei

Wölfe präventiv abzuschiessen ist in der Schweiz verboten. Geht es nach dem Ständerat, soll sich das ändern. Damit brechen die Ständeräte nicht nur ein Tabu, sondern ignorieren auch einen Volksentscheid.

Der Ständerat möchte die Hürden zum Abschuss von Wölfen deutlich senken.
Bild: Keystone

Im Ständerat ging es am Donnerstag um nichts weniger als einen Paradigmenwechsel. Auf dem Tisch lag ein Gesetzesentwurf seiner vorberatenden Kommission – und dieser hatte es in sich. Bereits der Titel offenbarte die Stossrichtung: «Wachsende Wolfsbestände geraten ausser Kontrolle und gefährden ohne die Möglichkeit zur Regulierung die Landwirtschaft.»

Die Kommission möchte, dass Wölf bereits präventiv abgeschossen werden dürfen, um künftige Schäden oder Gefährdungen zu verhindern. Nicht mehr entscheidend soll sein, welche Schäden ein Tier oder ein Rudel in der Vergangenheit verursacht hat. Ein grösserer Handlungsspielraum soll auch beim Abschuss einzelner Tieren bestehen: Neu sollen Wölfe, die ihre natürliche Scheu verlieren, zunehmend in Siedlungen auftauchen und so zum Risiko werden, erlegt werden können. Nicht gerüttelt wird an der Zuständigkeit: Bevor die Kantone Tiere abschiessen dürfen, muss der Bund seinen Segen geben.

«Tierhalter können kaum mehr schlafen»

Handlungsbedarf sah auch der Ständerat. Er hiess die Reform mit 31 zu 6 Stimmen bei 4 Enthaltungen gut. «Ein Paradigmenwechsel ist dringend angesagt», betonte Kommissionssprecher Othmar Reichmuth (Mitte/SZ). Der Wolfsbestand habe sich innert der letzten drei Jahre verdoppelt. Vor allem in den Bergregionen sei das problematisch. «Tierhalter können kaum mehr schlafen.» Beat Rieder (Mitte/VS) prophezeite, die Ausbreitung des Wolfes werde in ein paar Jahren dazu führen, dass alle Kantone betroffen sind.

Nicht beirren liess sich die bürgerliche Mehrheit davon, dass sie damit am Volksentscheid vom September 2020 rüttelt. Bei der Revision des Jagdgesetzes hatte sich eine Mehrheit der Stimmbevölkerung gegen einen präventiven Abschuss von Wölfen ausgesprochen. Der neue Entwurf nehme Rücksicht auf diese Vorbehalte, versicherte Martin Schmid (FDP/GR).

«Der Wolf ist kein Vegetarier»

Auf der Gegenseite sorgte das für Konsternation. Angesichts des Volksentscheids wäre eine «gewisse Demut» angebracht, bemerkte Daniel Jositsch (SP/ZH). Er ortete ein grundsätzliches Problem: «Der Wolf ist kein Vegetarier.» Wenn das Parlament Schafsrisse wirklich verhindern wolle, müsse es den Wolf ausrotten. Diesen Geist atme auch das Gesetz.

Dem widersprach Reichmuth. Die Regulierung werde den Wolfbestand nicht gefährden. Beat Rieder (Mitte/VS) sekundierte: «Die Vorlage garantiert den Bestand des Wolfes ausdrücklich.» Schmid gab zu bedenken, es sei halt so, dass sich die Problematik nicht von selbst erledige.

Breiter Kompromiss versandet

Nicht verstehen konnten die «Wolfsschützer», dass die Kommission sich nicht am breiten Kompromiss der Organisationen der Land- und Waldwirtschaft, der Jagd und des Naturschutzes orientiert hat. «Warum Sie diesen Kompromiss jetzt in die Tonne treten wollen, ist mir nicht klar», sagte Jositsch.

Dieser sah vor, eine raschere Regulierung von Wolfbeständen «bei wahrscheinlichen zukünftigen wesentlichen Schäden» zu ermöglichen. Jedoch dürften die regionalen Wolfbestände nicht in ihrer Existenz bedroht sein und der Herdenschutz müsse zentral bleiben. Der vorliegende Entwurf unterscheidet sich etwa darin, dass er den Wolf mit dem Steinbock gleichsetzt. Damit werde er zu einem grundsätzlich jagdbaren Tier, lautet der Vorwurf der Gegner.

Eine Niederlage steckte auch der Bundesrat ein. Umweltministerin Simonetta Sommaruga wehrte sich gegen neue Finanzhilfen. So schlug die Kommission vor, dass sich der Bund an Infrastrukturschäden durch Biber beteiligen soll – wie auch an Personalkosten der Kantone beim Umgang mit dem Wolf. Das sah auch der Ständerat so. Die Vorlage geht nun an den Nationalrat.