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Nahrungsmittel

«Paradigmenwechsel»: Hochdorf will kein Milchverarbeiter mehr sein

Der neue CEO Ralph Siegl läutet eine neue Ära ein: Die Abhängigkeit vom Rohstoff Milch soll reduziert werden. Gewinne werden wichtiger als Volumen. Zudem kommt es zu einer Kooperation mit dem lokalen Rivalen Emmi.

Das Areal der Hochdorf-Gruppe, das mittlerweile der Gemeinde Hochdorf verkauft worden ist.
Bild: Bild: Dominik Wunderli (31. August 2021)

«Es weht ein neuer Wind in Hochdorf», sagte Ralph Siegl am Montag anlässlich der Präsentation des Jahresergebnisses. Der Zürcher hat erst am 21. Januar per sofort die CEO-Funktion des börsenkotierten Unternehmens von seinem Vorgänger Peter Pfeilschifter übernommen. Siegl gab zu verstehen, dass unter seiner Leitung nichts weniger als ein «Paradigmenwechsel» eingeläutet werden soll. In klaren Worten sagte er: «Wir verstehen uns nicht mehr als Milchverarbeiter.»

Ralph Siegl, seit Januar CEO der Hochdorf-Gruppe.
Bild: Bild: PD

Was er damit meint: Die Hochdorf-Gruppe will die «Kostenabhängigkeit vom Rohstoff Milch verringern, der in der Schweiz tendenziell knapper wird», wie es in einer Mitteilung heisst. Das ist eine bemerkenswerte Aussage für ein Unternehmen, das seit 1895 Milch verarbeitet. Siegl, der zuvor Managing Director der Läderach-Gruppe war und diverse Funktionen bei Nestlé innehatte, äusserte sein Unbehagen darüber, dass Hochdorf jahrelang sozusagen Regulierungsaufgaben für den Milchmarkt übernommen habe. Als Beispiel nannte er die Rahmproduktion zur Butterherstellung. «Dort stimmen die Margen überhaupt nicht.» Auch bei gewissen Milchpulverprodukten sei das nicht der Fall. Man sei vertraglich gezwungen, Molke abzunehmen, «ob wir sie brauchen oder nicht». Generell habe das Unternehmen in den letzten Jahren immer das Volumen gesucht, ohne die Preise anzupassen. Der Hochdorf-Gruppe habe die Verhandlungsmacht gefehlt, man müsse mittel- und langfristig andere Wege gehen. «Künftig interessiert uns die Marge stärker als das Volumen», sagte der CEO.

Stellenabbau in Hochdorf verzögert sich

Siegl betonte zwar, Milch bleibe ein wichtiger Rohstoff, doch finanziell müsse es für beide Seiten stimmen – also für die Milchlieferanten und für den Verarbeiter. Hochdorf sei zurzeit dabei, sämtliche Geschäftsbeziehungen und alle Produkte zu überprüfen. Die damit verbundene Sortimentsbereinigung und Überprüfung der traditionellen Geschäftsbereiche erfolgen im ersten Halbjahr 2022. Hochdorf hofft, durch diesen Umbau die Rentabilität zu verbessern. Letztes Jahr schrieb die Gruppe knapp schwarze Zahlen und der Schuldenberg konnte reduziert werden. Dafür verantwortlich waren allerdings hauptsächlich zwei einmalige Faktoren: Es gab eine Rückzahlung des Grosskunden Pharmalys in Höhe von 30 Millionen Franken und der Verkauf des Areals am Hauptsitz in Hochdorf spülte über 50 Millionen Franken in die Kasse. Die Gemeinde Hochdorf erhielt Ende 2021 den Zuschlag für den Kauf des Areals.

Die Hochdorf-Gruppe hatte zuvor im August 2021 bekanntgegeben, die Produktion von Hochdorf ins thurgauische Sulgen zu verlagern. Im Zuge dieses strategischen Entscheids sollen im Seetal 120 Jobs verschwinden. Wie CEO Ralph Siegl am Montag sagte, sei man zurzeit dabei, «die Komplexität aus diesem Projekt rauszunehmen». Derzeit brauche man jede Arbeitskraft in Hochdorf, obschon einige von sich aus schon gekündigt hätten. Die Sozialplanverhandlungen habe man positiv abgeschlossen. Im Moment sei es noch nicht absehbar, wie viele Personen genau nach Sulgen wechseln und wie viele Stellen letztlich abgebaut werden sollen. Der zweijährige Übergangsprozess verändere sich wöchentlich.

Innovationen und Kooperation mit Emmi

Dank Innovationen soll Hochdorf künftig also kein klassischer Milchverarbeiter mehr sein, sondern ein «Milchveredler» und eine «Schweizer Kompetenzmarke für technologisch anspruchsvolle, funktionelle Spezial-Nahrungsmittel». Braucht es dann noch die heutige traditionell auf Milchverarbeitung ausgerichtete Infrastruktur in diesem Masse überhaupt noch? Die drei Walzen für Milchpulver am künftigen alleinigen Standort in Sulgen wolle man behalten, stellte Siegl klar. Im Thurgau werde man künftig aber auch neue Technologien anwenden, die heute in Hochdorf zum Einsatz kämen.

Das Unternehmen hat in den vergangenen zwölf Monaten mehrere neu entwickelte Endprodukte und Halbfabrikate eingeführt, darunter etwa Bimbosan-Ziegenmilch, die Spezial-Babynahrung Riso PH, laktosefreies Milchpulver, einen veganen Vollmilchpulver-Ersatz oder Molkenprotein-Konzentrat für den Einsatz in Babynahrung. Vegane Vollmilchpulver-Ersatzprodukte werden laut Hochdorf auch von der Schokoladenindustrie stark nachgefragt.

Neue Wege geht Hochdorf auch, indem das Unternehmen mit dem Rivalen Emmi kooperiert. Emmi und Hochdorf haben vereinbart, im Bereich Spezialitätenpulver sowohl auf Milchbasis als auch für vegane Produkte eine Zusammenarbeit anzustreben. Hochdorf soll dabei für Emmi Halbfabrikate und Fertigprodukte mit speziellen Anforderungen in Pulverform herstellen. Diese operative Zusammenarbeit werde vertraglich als Lohnherstellung ausgestaltet. Ins Detail ging Siegl nicht; es gehe um Produkte, die Emmi technologisch nicht herstellen könne und wolle. Hochdorf sei offen für weitere solche Kooperationen in der Industrie.