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Raumfahrt

"Webb"-Bilder zeigen Universum nie zuvor

Galaxien und Galaxiengruppen, ein Gasriese ausserhalb unseres Sonnensystems und interstellare Nebel aus Staub und Gas: Diese kosmischen Schauspiele hat das Weltraumteleskop "James Webb" mit einer noch nie dagewesenen Schärfe und Detailtreue enthüllt.
Bild: NASA, ESA, CSA, STScI

Mit dem ersten Blick auf die volle Leistungsfähigkeit des Weltraumteleskops habe eine "neue Ära in der Astronomie begonnen", teilte die europäische Raumfahrtagentur am Dienstag mit. "Heute bieten wir der Menschheit mit dem James-Webb-Weltraumteleskop einen bahnbrechenden neuen Blick auf den Kosmos - einen noch nie dagewesenen Blick", sagte Bill Nelson, Chef der US-Raumfahrtagentur Nasa.

Bei der Präsentation der Bilder zeigt sich unter anderem, dass das Teleskop eindeutige Anzeichen von Wasser auf dem Gasriesen "Wasp-96 b" fand, einem ausserhalb unseres Sonnensystems gelegenen Planeten. "Webb" habe damit das bisher detaillierteste Spektrum eines Exoplaneten enthüllt, hiess es.

Bilder machten Gänsehaut

Gemeinsam mit US-Präsident Joe Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa das erste "Webb"-Bild bereits am Montagabend (Ortszeit) präsentiert. Bei der Aufnahme, die Tausende von Galaxien zeigt, handle es sich um "das tiefste und schärfste Infrarotbild des fernen Universums, das es bisher gibt", hiess es. Die Masse des Galaxienhaufens namens "SMACS 0723" wirke wie eine Gravitationslinse, die weit entfernte Galaxien dahinter vergrössere. Diese wiesen winzige, schwache Strukturen auf, die zuvor noch nie gesehen wurden.

Der Anblick der veröffentlichten Bilder habe ihm Gänsehaut gemacht, sagte Astrophysiker Adrian Glauser von der ETH Zürich gemäss einem auf der Webseite seiner Hochschule veröffentlichten Interview. Die Schärfe und Detailgenauigkeit der Galaxien und Nebel habe ihn "beinahe sprachlos" gemacht. Glauser und sein Team waren massgeblich an der Entwicklung des Instrument MIRI (Mid Infrared Instrument) beteiligt, eines der vier Instrumente an Bord von "Webb".

Unschätzbare Erkenntnisse

Das Instrument MIRI enthüllte unter anderem "nie zuvor gesehene Details von Stephans Quintett". Diese Galaxiengruppe befindet sich im Sternbild Pegasus und ist etwa 290 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Das Instrument habe staubumhüllte Regionen durchdrungen und riesige Schockwellen und Gezeitenschweife enthüllt. Ebenso wurden verborgene Bereiche der Sternentstehung sichtbar. Die neuen Informationen von MIRI liefern laut der Nasa unschätzbare Erkenntnisse darüber, wie galaktische Wechselwirkungen die Entwicklung der Galaxien im frühen Universum vorangetrieben haben könnten.

Einblicke bot das Weltraumteleskop auch in den Carinanebel, wo sich bizarr anmutende Staub- und Gasstrukturen türmen. Es ist einer der grössten und hellsten Nebel am Himmel. Ebenfalls wurden neue Details des Südlichen Ringnebels enthüllt, einer expandierenden Hülle aus Staub und Gas, die von sterbenden, sonnenähnlichen Sternen abgestossen werden.

Wissenschaftliche Arbeit beginnt

Die Veröffentlichung der Aufnahmen markiert den offiziellen Beginn der wissenschaftlichen Arbeit. Dank der direkten Beteiligung an der Entwicklung des Weltraumteleskops haben der ETH-Astrophysiker Glauser und sein Team das Privileg einer garantierten Beobachtungszeit. In ihren Fokus rückt die Charakterisierung von Exoplaneten, etwa der Planeten des Trappist-1-Systems. Auf einigen von diesen könnte sich flüssiges Wasser befinden.

Sichern konnten sich auch andere Forschende aus der Schweiz Beobachtungszeit mit dem Weltraumteleskop, insgesamt seien es acht Schweizer Projekte, sagte Pascal Oesch, Professor an der Universität Genf, an einer Medienkonferenz am International Space Science Institute (ISSI) in Bern. Er etwa wird gemeinsam mit internationalen Kollegen versuchen, die ersten Galaxien im Universum aufzuspüren, die 300 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall geboren wurden.

Vorschau auf das, was noch kommt

Glauser betonte, dass man derzeit "nur die allerersten Bilder" sehe, "eine Art Vorschau auf das, was alles noch kommen wird." Und zu den Bildern kämen all die Spektren und Daten hinzu, welche vielleicht nicht so schön aussehen würden, "dafür wissenschaftlich umso interessanter sind."

Das James-Webb-Teleskop konzentriert sich auf Infrarot-Strahlung. Dieses Lichtspektrum erlaubt, extrem weit zurück in die Vergangenheit zu blicken sowie durch Staubwolken im Kosmos hindurchzuspähen. So soll "Webb" die Frühzeit des Universums vor 13 Milliarden Jahren erkunden und damit nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall zurückblicken.

Die "Webb"-Mission ist eine Zusammenarbeit zwischen den Raumfahrtagenturen Nasa, Esa und der kanadischen Weltraumbehörde CSA. Das 1989 gestartete Projekt sollte ursprünglich Anfang der 2000er Jahre in Betrieb gehen. Immer neue Probleme verzögerten das Vorhaben jedoch jahrelang, die Kosten verdreifachten sich auf fast zehn Milliarden Dollar. "Webb" ist damit das teuerste, aber auch das bislang leistungsstärkste je gebaute Teleskop. (sda)