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Prozess

Vater und Söhne wegen Zwangsehen vor Gericht

Ein heute 65-jähriger Mann und seine vier erwachsenen Söhne stehen seit Montag in Moutier im Kanton Bern vor Gericht. Sie sollen die Ehefrauen der Söhne jahrelang unter sklavenartigen Bedingungen gehalten haben.
Bild: KEYSTONE/LUIS BERG

Die vom Balkan stammende Familie soll ihr Leben gemäss dem Kanun - einem mittelalterlichen Gewohnheitsrecht - organisiert haben, mit dem Vater als patriarchalem Oberhaupt. Für die vier Söhne sollen laut Anklage die Ehefrauen aus dem Balkan organisiert worden sein. Eine von ihnen war noch minderjährig. Den Frauen und ihren Eltern wurde ein besseres Leben in der Schweiz versprochen.

Dem Vater und seinen vier Söhnen wird unter anderem Menschenhandel, Zwangsheirat, Vergewaltigung und sexuelle Handlungen mit Kindern vorgeworfen. 2019 konnten die Frauen fliehen.

Geschlagen und isoliert

Am ersten Verhandlungstag vor Gericht wurden immer wieder Anspielungen gemacht auf Traditionen und Gewohnheitsrechte in Albanien oder die Ehre der Familie und der Männer als Familienoberhäupter.

"Ich musste diese Heirat akzeptieren, das ist unsere Tradition. Nein zu sagen wäre unvorstellbar gewesen", sagte eine der Frauen, die heute von ihrem Mann geschieden ist.

Sie habe vor der Familie ihres Exmannes Angst und vor ihrer Zukunft, gab eine andere Frau zu Protokoll. Sie sei vom Schwiegervater geschlagen worden, berichtete sie.

Obwohl schon 15 Jahre in der Schweiz, sei sie immer noch ohne Papiere, sagte eine weitere Frau mit tränenerstickter Stimme. Sie habe Angst vor den Angeklagten. "Sie haben mich wie eine Sklavin behandelt", sagte sie.

Bei den Befragungen am Montag berichteten die Frauen, dass sie geschlagen wurden, sexuell gefügig sein mussten und kaum Kontakt zur Aussenwelt haben konnten. Sie konnten kaum etwas selbst entscheiden und wurden konstant überwacht.

Laut Anklage wurden die Frauen mit dem Tod bedroht und zu sexuellen Handlungen gezwungen. Sie mussten auch praktisch rund um die Uhr Hausarbeiten für die Schwiegereltern und ihre eigene Familie verrichten. Eine musste ihrem Schwiegervater und einem Schwager regelmässig die Füsse waschen.

Der Vater soll seinen Söhnen eingetrichtert haben, die Ehefrauen mit Gewalt zu züchtigen, wenn diese aufbegehrten oder zu wenig gefügig waren. Die Angeklagten Männer bestreiten die Vorwürfe.

Separate Befragung

Eine Konfrontation mit den mutmasslichen Tätern wurde am Montag in Moutier vermieden. Die Angeklagten verfolgten die Befragung der Frauen in einem Nebensaal per Videoschaltung. Diese Massnahme wurde auf Wunsch der Frauen ergriffen. Sie sind heute im Alter zwischen 24 und 36 Jahren.

Die Vorfälle ereigneten sich über mehrere Jahre in einem Dorf im Berner Jura. Das Urteil des Gerichts wird am 24. November erwartet. (sda)