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Prozess

Mitglieder von Rockerbanden vor Gericht

Seit Montag stehen in Bern 22 Mitglieder verfeindeter Rockergruppen vor Gericht. Die Angeklagten im Saal schwiegen. Umso lauter ging es draussen vor dem Gericht zu, wo sich Sympathisanten der verfeindeten Gruppen versammelt hatten.
Bild: KEYSTONE/STRINGER

Die Polizei trennte die Sympathisanten der Hells Angels und der Bandidos zunächst mit Gittersperren. Sowohl am Vormittag wie am Mittag kam es dennoch zu Scharmützeln, es flogen Steine und Flaschen. Die Polizei setzte Gummischrot, Tränengas und Wasserwerfer ein.

In den Gerichtssaal drang von draussen gelegentlich Lärm der Scharmützel. Im Innern des Berner Amtshauses tagte das Gericht im vollen Assisensaal: 22 Angeklagte und ihre Rechtsvertreter sowie Medienschaffende hatten Zutritt zum streng bewachten Gebäude.

Auf der einen Saalseite sassen die Angeklagten der Bandidos, auf der anderen Seite jene der Hells Angels und die mit ihnen befreundeten Broncos. Während die Hells Angels allesamt in ihren martialischen Kutten mit Totenkopfemblem aufkreuzten, trugen die übrigen Angeschuldigten keine augenfälligen Embleme.

Denkzettel

Die Hells Angels gelten weltweit als eine der einflussreichsten und mächtigsten Rockergruppen, die Bandidos sind ihre Erzrivalen. Auch in der Schweiz sind die Hells Angels und befreundete Motorradclubs wie die Berner Broncos die Platzhirsche.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wollten die bisher im Ausland tätigen Bandidos in der Schweiz einen Ableger gründen. Als sich die designierten Mitglieder der Bandidos im Mai 2019 in einem Lokal in Belp trafen, kreuzten die Hells Angels auf, um ihnen einen Denkzettel zu verpassen.

Es kam zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, während der die Rivalen unter anderem mit Messern und Schusswaffen aufeinander losgingen. Die Folge waren mehrere Schwerverletzte.

Schweigen zum Vorfall

Zwei Hauptangeklagte müssen sich wegen versuchter vorsätzlicher Tötung vor Gericht verantworten, ein weiterer Mann steht wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht. Den übrigen Angeklagten wird grösstenteils Beteiligung an einem Raufhandel zur Last gelegt.

Die zwei wegen versuchter vorsätzlicher Tötung angeklagten Männer gaben am Montag dem Gericht höflich und bereitwillig Auskunft über ihre persönlichen Verhältnisse. Deutlich schmallippiger waren sie in Bezug auf die Auseinandersetzung im Mai 2019 in Belp.

"Dazu sage ich nichts" oder "Ich kann mich nicht mehr erinnern" waren die häufigsten Sätze, die am Montag im Gerichtssaal fielen.

"Die Männer bewegen sich in einem rauen Milieu", begründete Beat Luginbühl, Anwalt eines der Hauptangeklagten, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA das Verhalten der Angeklagten. Ihr Kodex verbietet es, in der Öffentlichkeit über Internas zu reden oder gar Namen zu nennen. Angelegenheiten würden untereinander geregelt.

"Wir sind keine Sonntagsschüler", räumte Jimy Hofer, Urgestein des Berner Motorradclubs "Broncos", im Mai 2019 nach dem Vorfall in Belp ein.

Kriminelle Energie

Tatsächlich: Einer der Hauptangeklagten von Belp sass bereits über neun Jahre im Gefängnis. Er sei "jung und dumm" gewesen und jeder Tag im Gefängnis sei "verdient gewesen", sagte der Mann vor Gericht.

Der Mann war 2003 am sogenannten Postgass-Raub in Bern beteiligt. Damals wurde ein zufällig vorbeifahrender Velofahrer von Jugendlichen überfallen, brutal zusammengeschlagen und beraubt. Das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt. Der Fall warf aufgrund der Brutalität der Täter hohe Wellen.

Manche Anhänger der Motorradclub-Szene kokettieren lediglich mit dem Image als "schwere Jungs". Bei anderen ist durchaus kriminelle Energie vorhanden.

Der Klub selber sei "ganz sicher nicht kriminell", betonten die beiden Schweizer Hells Angels Chefs jüngst in einem Interview im "Blick". Wenn einzelne eine gewisse Freiheit "ein wenig zu sehr ausreizen", dann müssten sie selber geradestehen. Pauschalisierungen seien nicht hilfreich.

Der Prozess in Bern wird sich noch über Tage hinziehen. Das Urteil wird für Ende Juni erwartet. (sda)