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Justiz

Boxerin soll 18,5 Jahre hinter Gitter

Die Staatsanwältin hat am Mittwoch im Interlakner Mordprozess für die Angeklagte eine Freiheitsstrafe von 18,5 Jahren gefordert. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch.
Bild: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Die Angeklagte, eine heute 36-jährige brasilianischstämmige Profiboxerin, bestreitet vehement, am 18. Oktober 2020 ihren Ehemann, einen bekannten Interlakner Wirt, mit einem Baseballschläger umgebracht zu haben.

Jemand habe ihren Mann umgebracht und nun stehe sie vor Gericht, sagte die Frau Anfang Woche zum Prozessauftakt vor dem Regionalgericht in Thun. "Aber warum? Weil ich Brasilianerin bin, weil ich Boxerin bin, weil ich 27 Jahre jünger bin als mein Mann?"

Die Staatsanwältin hatte darauf in ihrem Plädoyer eine knappe, klare Antwort: "Nein". Vielmehr gebe es eine Vielzahl von Indizien, die zweifelsfrei den Schluss zuliessen, dass nur die Frau als Täterin in Frage komme.

Von DNA-Spuren am zertrümmerten Mobiltelefon ihres Gatten über Blutspritzern auf den Schuhen der Angeklagten bis zur Sichtung ihres Autos in der Tatnacht umschrieb die Staatsanwaltschaft eine Vielzahl von Indizien, auf die sie sich stützte.

Die Anklage zeichnete das Bild einer temperamentvollen, eifersüchtigen und unberechenbaren Frau, die nicht verkraften konnte, dass sich ihr Ehemann von ihr abgewandt hatte und auch kein gemeinsames Kind mehr wollte.

Streitereien

Auch wenn die Angeklagte etwas anderes behaupte, die Beziehung der Ehegatten sei belastet gewesen. Der zur Tatzeit neunjährige Sohn habe dies in Befragungen gesagt und auch von einer möglichen Scheidung seiner Mutter gesprochen.

Kinder würden Streitereien der Eltern mitunter eben anders und bedrohlicher wahrnehmen, konterte der Verteidiger. Er wiederum beschrieb die Angeklagte als herzliche, temperamentvolle und ehrgeizige Frau, die für ihre Ziele hart gearbeitet habe. Die Frau war Box-Weltmeisterin in ihrer Gewichtsklasse und betrieb in Interlaken einen Box-Club. Daneben arbeitete sie im Restaurant ihres Gatten.

Kritik an Ermittlungen

Die Verteidigung übte harsche Kritik an den Ermittlungen. Die Polizei sei von Anfang an auf seine Mandantin als Täterin fixiert gewesen und sei Spuren, die in eine andere Richtung deuteten nicht nachgegangen.

So hätten Personen der Polizei von merkwürdigen Typen berichtet, die sich zur Tatzeit ums Restaurant herumgetrieben hätten und von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten im Restaurant. Dies alles sei zu wenig fundiert untersucht worden.

Auch den Zeugen, der ausgesagt hatte, er habe das Auto der Angeklagten in der Tatnacht erkannt, zog der Verteidiger in Zweifel. Der Automechaniker arbeite in einer Garage, mit der die Angeklagte wegen schlechter Arbeit im Streit lag. Der Mann beschuldige sie absichtlich.

Seine Mandantin sei am Tatabend zu Hause gewesen und habe nachweislich einen Film angeschaut. Etwas anderes lasse sich nicht beweisen und sei reine Spekulation.

Die von der Staatsanwaltschaft aufgezeigte zeitliche Abfolge der Ereignisse lasse gar nicht zu, dass seine Mandantin in dieser Geschwindigkeit von ihrem Domizil nach Interlaken gefahren, ihren Mann getötet und dann wieder nach Hause gefahren sei.

Ausserdem habe sein Mandantin zur Tatzeit starke Schulterschmerzen gehabt und sei mit Cortison behandelt worden. Sie hätte den Baseballschläger gar nicht so führen können, wie es das Spurenbild in der Wohnung des Opfers nahelege.

Verteidigung fordert Freispruch

Die Verteidigung forderte daher nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" einen Freispruch. Seine Mandantin sei für die lange, zu unrecht erlittene Haft mit über 152'000 Franken zu entschädigen.

Demgegenüber forderte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 18,5 Jahren und einen Landesverweis von 14 Jahren für die Frau. Das Urteil wird das Regionalgericht Thun am Freitagnachmittag bekannt geben.

Der zur Tatzeit 61-jährige Wirt wurde laut Anklage mit einem Baseballschläger unter massiver Gewalteinwirkung umgebracht. Laut Anklage soll die Frau ihr Opfer dann einem langen, schmerzvollen Todeskampf überlassen haben, wovon Blutspuren überall in der Wohnung zeugten. (sda)