notifications
Berufliche Vorsorge

Oberaufsicht schlägt Alarm: 480 Pensionskassen sind in finanzieller Schieflage

Die finanzielle Lage der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen verschlechtert sich weiter – und damit auch der Deckungsgrad. Aktuell könnten 480 Pensionskassen ihre Verpflichtungen rechnerisch nicht decken. Sanierungsmassnahmen scheinen notwendig.

Die Krise an den Finanzmärkten setzt den Pensionskassen zu. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Inflation, Ukraine-Krieg oder Energiekrise: Die Kapitalmärkte sind seit Monaten starken Schwankungen ausgesetzt. Das wirkt sich auf die finanzielle Situation der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen aus. Diese hat sich gemäss Hochrechnungen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) per Ende September weiter verschlechtert.

So beträgt die durchschnittliche Performance der Vorsorgeeinrichtungen seit Jahresbeginn -15,3 Prozent, wie die OAK BV am Freitag mitteilte. Sie ist damit noch tiefer als in der Finanzkrise 2008. Entsprechend bezeichnet die Kommission die negative Performance als «aussergewöhnlich». Im Gegensatz zu früheren Einbrüchen betreffe die schlechte Performance dieses Mal alle Anlagekategorien – vor allem aber Aktien und alternative Anlagen.

Deckungsgrad sinkt deutlich

Das wirkt sich auf den Deckungsgrad der Pensionskassen aus: Der durchschnittliche kapitalgewichtete Deckungsgrad sank gemäss den Hochrechnungen «markant» von 118,5 Prozent per Ende 2021 auf 99,5 Prozent per Ende September, wie es weiter heisst. Allerdings überschätze die Hochrechnung die Verschlechterung der Vorsorgeeinrichtungen, da der Zinsanstieg in der Bewertung der Verpflichtungen nicht reflektiert werde.

Trotzdem wären neu aktuell bereits 480 Pensionskassen nicht in der Lage, ihre Vorsorgeverpflichtungen zu 100 Prozent zu decken – zumindest rechnerisch. Ende 2021 waren es lediglich 13 Vorsorgeeinrichtungen. Gemäss OAK BV entspricht dies kapitalgewichtet einer Unterdeckung bei 55,6 Prozent der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen. Ein deutlicher Anstieg: 2001 waren es noch 0,1 Prozent.

Unsicher, ob Reserven reichen

Zwar können Pensionskassen eine periodische Unterdeckung verschmerzen. Denn sie sind verpflichtet, sogenannte Wertschwankungsreserven zu bilden, um so Schwankungen auf den Kapitalmärkten ausgleichen. Diese Reserven würden nun aufgelöst: Ende 2021 lag die Zielgrösse der Reserve im Schnitt bei 17,9 Prozent der Vorsorgekapitalien. Nun vermutet die OAK BV, dass per Ende September kapitalgewichtet nur noch 16,1 Prozent der Vorsorgeeinrichtungen über mehr als einen Drittel des Zielwerts verfügen.

Ob die Reserven reichen, um die negativen Entwicklungen auf den Kapitalmärkten ganz oder teilweise aufzufangen, ist unsicher. Die OAK BV geht daher aufgrund der aktuellen Hochrechnung davon aus, dass ein Teil der Pensionskassen per Ende Jahr eine Unterdeckung aufweist. Damit würden je nach Situation Sanierungsmassnahmen notwendig.

Die OAK BV erstellt aufgrund einer jährlichen Umfrage zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen monatliche Hochrechnungen. Diese basieren auf den individuellen Anlagestrategien und der effektiven Entwicklung der Anlagemärkte und auf Daten von 1324 Vorsorgeeinrichtungen mit Vorsorgekapitalien von rund 831 Milliarden Franken. (abi)