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Aussenpolitik

Neutralitätspolitik wie anno 1993: Bundesrat hält an bisheriger Praxis fest

Es war eine Schlappe mit Ansage: Der Bundesrat möchte nicht an der Praxis der Schweizer Neutralitätspolitik rütteln. Aussenminister Ignazio Cassis hatte mit der Wortschöpfung der «kooperativen Neutralität» nur Verwirrung gestiftet.

Aussenminister Ignazio Cassis schuf die Wortschöpfung «kooperative Neutralität». Doch die bisherige  Neutralitätspolitik soll nicht neu ausgerichtet werden. 
Bild: Keystone

Ignazio Cassis hat sich weit aus dem Fenster gelehnt; zu weit, wie sich nun definitiv zeigt. Der Aussenminister hatte im Mai am WEF in Davos mit einer neuen Wortschöpfung aufgewartet, der «kooperativen Neutralität» . Damit suggerierte er eine Neuausrichtung der Schweizer Neutralitätspolitik. Mit grosser Spannung wurde deshalb ein neuer Neutralitätsbericht erwartet, den der Bundesrat im Auftrag der aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments ausarbeiten sollte.

Nach langem Zögern hat der Bundesrat am Mittwoch den Bericht nun endlich publiziert – wobei dessen Inhalt bereits vor Monaten durchgesickert war und er im September bereits angedeutet hatte, dass alles beim Alten bleibt. Das aus Cassis' Sicht ernüchternde Fazit: Der Bundesrat hält an seiner bisherigen Praxis punkto Neutralitätspolitik fest.

Praxis von 1993 gilt weiterhin

Diese erlaube einen «genügend grossen Handlungsspielraum», um «wirksame Entscheide mit Bezug zur Neutralität» zu treffen, heisst es in einer Mitteilung des Aussendepartements (EDA). Daran konnten auch die letzten 30 Jahre und der russische Einmarsch in der Ukraine nichts ändern. «Der Bundesrat kommt daher zum Schluss, dass er an der 1993 letztmals festgehaltenen und seither weitergeführten Praxis der Neutralität festhalten will.»

Der Bundesrat verteidigt auch seine Entscheide im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. «Neutralität heisst nicht Gleichgültigkeit gegenüber fundamentalen Völkerrechtsverletzungen», betont er im Bericht. Auch sei sie kompatibel mit der Übernahme von EU-Sanktionen. Was die russische Invasion betrifft, möchte er die Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen weiter analysieren und zu einem späteren Zeitpunkt eine Auslegeordnung vornehmen.

Neutralitätsdebatte dreht weiter

Die Debatte um die Ausrichtung der Schweizer Aussenpolitik dreht sich indes weiter. So hat SVP-Doyen Christoph Blocher eine Volksinitiative zur Neutralität lanciert . Blocher möchte den Begriff Neutralität in der Bundesverfassung erstmals konkret definieren.

Dem alt Bundesrat schwebt eine integrale Neutralität vor, wie sie die Schweiz vor dem Ersten Weltkrieg, während und nach dem Zweiten Weltkrieg praktizierte: keine Teilnahme an bewaffneten Konflikten, aber auch keine Beteiligung an Wirtschaftssanktionen gegen Kriegsparteien.