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Fifa-Affäre

Neue Widersprüche, erstaunliche Zeugen – Schlussspurt der Ermittler in «Schweizerhof»-Affäre um Gianni Infantino?

Die ausserordentlichen Bundesanwälte Ulrich Weder und Hans Maurer führen nächste Woche Konfrontationseinvernahmen mit den Beschuldigten durch.

Setzt sich gerne in Szene: Fifa-Präsident Gianni Infantino, hier bei der Trauerfeier für Fussball-Legende Pelé. Im März steht Infantinos Wiederwahl an die Fifa-Spitze an.
Bild: Bild: Andre Penner/AP

Der 8. Juli ist in dieser Fussball-Affäre ein folgenschwerer Tag. Am 8. Juli 2022 wurden Joseph Blatter und Michel Platini vom Bundesstrafgericht in Bellinzona vom Vorwurf freigesprochen, die Fifa Jahre zuvor um 2 Millionen Franken betrogen zu haben.

Der 8. Juli 2015 könnte der Tag gewesen sein, an dem das Verfahren gegen Blatter und Platini quasi geboren wurde. Damals erschien Rinaldo Arnold, Oberwalliser Staatsanwalt und Jugendfreund des damaligen Uefa-Generalsekretärs Gianni Infantino, im Büro von Bundesanwalt Michael Lauber in Bern; auch dessen Informationschef André Marty war dabei.

Gleich nach dem Treffen bot Lauber für den nächsten Tag seinen Chef Wirtschaftskriminalität Olivier Thormann auf. Dieser löste in der Folge eine Abfrage nach Platinis Bankdaten aus, und im September eröffnete er das Strafverfahren um die 2 Millionen. Folge: Blatter und Platini wurden von der Fifa gesperrt. Statt Platini, der damals Kronfavorit für die Blatter-Nachfolge war, bestieg im Februar 2016 Infantino den Fifa-Thron.

Michel Platini.
Bild: Imago

Sprach Arnold an jenem 8. Juli 2015 im Auftrag von Infantino bei Lauber vor? Infantino bestreitet vehement, etwas mit dem Treffen zu tun zu haben. Lauber und Marty gaben zunächst an, es sei beim Treffen um allgemeine strafrechtliche Fragen gegangen. Gegenüber den Sonderermittlern sagen nun aber offenbar alle drei, Arnold habe sich für eine Stelle bei der Bundesanwaltschaft interessiert.

Es gibt allerdings Indizien wie gewisse Outlook-Einträge, die darauf hindeuten, dass das Treffen vom 8. Juli eben doch in Zusammenhang mit Fussball-Verfahren stand. Sie finden sich in den Akten der beiden ausserordentlichen Bundesanwälte Hans Maurer und Ulrich Weder, die im Auftrag des Bundesparlaments herausfinden sollen, worum es bei den nicht protokollierten Treffen zwischen Lauber und Infantino ging. Und ob es zu Delikten wie Amtsmissbrauch, Amtsgeheimnisverletzung, Begünstigung oder Anstiftung dazu kam.

Infantinos Schwester wurde als Zeugin befragt

Eine Art Alibi soll jetzt offenbar zeigen, dass Infantino nichts mit dem Juli-Treffen zu tun hatte. Es besteht dem Vernehmen nach darin, dass Arnold in der fraglichen Zeit, im Juli 2015, gar keinen Kontakt mit seinem Jugendfreund Infantino gehabt haben will. Erst im Spätherbst 2015, das bekamen die Sonderermittler zu hören, hätten die beiden wieder Kontakt aufgenommen.

Als «Beweis» soll offenbar der Umstand dienen, dass Arnold im Spätherbst 2015 nicht wusste, wie er Infantino erreichen konnte. So soll er dessen Schwester kontaktiert haben, die als Übersetzerin bei der Walliser Staatsanwaltschaft arbeitete.

Rinaldo Arnold und Gianni Infantino, hier im Jahr 2016.
Bild: Keystone

Was manche erstaunte: Die Sonderermittler hörten Infantinos Schwester als Zeugin an. Was manche weniger erstaunte: Diese bestätigte Arnolds Version im Wesentlichen, wie es heisst.

Dem stünden allerdings frühere Angaben des Duos Infantino/Arnold entgegen. Im Auftrag des Kanton Wallis ermittelte der Nidwaldner Staatsanwalt Damian Graf ab Ende 2018 gegen Arnold wegen Verdacht auf Vorteilsannahme, eventuell passiver Bestechung. Arnold hatte, wie Grafs Untersuchung zeigte, ab 2016 dank Infantino zwar Fifa-Einladungen im Wert von mehr als 15'000 Franken erhalten. Unter anderem an die WM in Russland und einen Fifa-Kongress in Mexiko. Als Gegenleistung wofür? Graf stellte das Verfahren im April 2019 ein, weil die Geschenke an Arnold nichts mit dessen Amt als Staatsanwalt zu tun hatten.

Aber laut Einstellungsverfügung gaben die Jugendfreunde Arnold und Infantino «übereinstimmend» an, sie hätten sich eine Weile aus den Augen verloren, aber «nach der Wahl von Arnold als Präsident des FC Brig-Glis im Jahr 2013» habe es «wieder vermehrt Kontakt gegeben».

Dieser «vermehrte Kontakt» wird genauer begründet: Infantino «bezeichnete den FC Brig-Glis in seiner Einvernahme denn auch als ‹seinen› Club, dem er viel zu verdanken habe», so Graf. «Intensiver sei der Kontakt zwischen den beiden sodann während Infantinos Kandidatur als Fifa-Association-Präsident geworden.»

Hinzu kommt: Arnold wurde gemäss Angaben, die er gegenüber Graf machte, von Infantino schon 2015, als dieser noch Uefa-Generalsekretär war, zweimal eingeladen. Einmal ins Wembley-Stadion, das zweite Mal im Dezember nach Nyon zur Ziehung der Champions-League-Achtelfinals. Der Wembley-Besuch ist nicht datiert in der Verfügung, könnte aber mit dem EM-Ausscheidungsspiel England – Schweiz vom 8. September 2015 (2:0 für England) zusammenhängen.

Sonderermittler stehen unter Druck – Infantino vor Wiederwahl

Seit einem Jahr sind die ausserordentlichen Bundesanwälte Weder und Maurer an der Arbeit, um solche Vorgänge rund um die «Schweizerhof»-Affäre zu klären. Zuvor tat dies schon ihr sehr engagierter Vorgänger Stefan Keller, bis er in einem umstrittenen Entscheid vom Bundesstrafgericht in den Ausstand geschickt wurde.

Das Verfahren scheint sich nun rasch dem Ende zu nähern. Nächste Woche haben die Sonderermittler die Beschuldigten zu sogenannten Konfrontationseinvernahmen aufgeboten. Die macht man, wenn beträchtliche Widersprüche in Aussagen von Beteiligten vorliegen.

Auf Anfrage bestätigt Hans Maurer: «Wir führen noch eine Runde von Einvernahmen durch, das heisst Konfrontationseinvernahmen der Beschuldigten. Ein Grund ist, dass nicht alle Parteien bei allen Befragungen dabei waren.»

Auf die Frage, ob es sich, wie einige Beobachter vermuten, schon um Schlusseinvernahmen handle, sagt Maurer: «Ob das Verfahren damit bald abgeschlossen ist, kann und will ich derzeit nicht sagen. Es ist auch denkbar, dass wir einzelne Teilverfahren vorziehen und abschliessen. Bisher haben wir nichts abgeschlossen.»

Sieben Beschuldigte und reihenweise Zeugen

Als Beschuldigte führen die Sonderermittler derzeit neben Infantino, Lauber, Marty und Arnold auch den heutigen Bundesstrafrichter Thormann, den ehemaligen Fifa-Rechtschef Marco Villiger sowie den Staatsanwalt des Bundes Cédric Remund. Unter anderem geht es auch um einen umstrittenen Charter-Flug Infantinos auf Fifa-Kosten. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Das Duo befragte bisher eine ganze Reihe von Zeugen und Auskunftspersonen, weitere folgen, so der frühere Ethik-Ermittler der Fifa, Cornel Borbély. Fraglich ist indes, ob auch die Polizei beigezogen wurde, um Daten wie E-Mails systematisch auszuwerten.

Geschah dies nicht und stellen die Ermittler auf teilweise koordinierte Aussagen der Beteiligten ab, die sich zudem an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern wollen, wird die Untersuchung laut Experten an der Oberfläche bleiben. «Ohne diese Detailarbeit der Polizei kann ein Staatsanwalt keine gescheiten Fragen stellen», drückt sich ein Ermittler aus, der nichts mit dem Fall zu tun hat.

Fest steht, dass auf dem Sonderermittler-Duo beträchtlicher Druck lastet. Zuletzt hiess es, dass namentlich die Verteidigung von Infantino dazu dränge, das Verfahren schnell abzuschliessen. Ein Hintergrund mag sein: Im März steht die Wiederwahl des umstrittenen Fifa-Chefs an.