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Schweiz

Kuhhandel oder genialer Plan? Politiker diskutieren in Sempach über die Steuer- und AHV-Reform

Sie wirbelt das Links-rechts-Schema durcheinander: die nationale Steuer- und AHV-Reform (Staf). Das zeigte sich auch am Freitagabend bei einem Podium in der Festhalle Sempach. Als prominentester Befürworter trat Bundespräsident Ueli Maurer auf.
Bundespräsident Ueli Maurer sprach an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz Ende Januar in Gossau über die STAF-Reform. Auch an der Podiumsdiskussion in Sempach vom Freitag weibelte er für ein Ja zur Vorlage.  (Bild: Gian Ehrenzeller/Keystone, 26. Januar 2019)

Alexander von Däniken

633 Jahre nach der Schlacht bei Sempach steht die Schweiz wieder unter ausländischem Druck. Anders als damals geht es nicht um einen Kampf mit Speeren und Hellebarden, sondern um einen Wirtschaftskrieg: EU und OECD verlangen von der Schweiz, die kantonalen Steuerprivilegien für Unternehmen abzuschaffen.

Um ein Abwandern der Firmen zu vermeiden, sollen die Gewinnsteuersätze gesenkt werden. Damit alleine wären die linken Parteien nicht einverstanden. Darum wird die Steuerreform mit einer Zusatzfinanzierung der AHV verknüpft: Über 2 Milliarden Franken pro Jahr sollen ­zusätzlich in den Rentenfonds ­fliessen. Am 19. Mai stimmen die Schweizer über die Steuerreform und AHV-Finanzierung (Staf) ab. Die Vorlage ist umstritten; Gegner gibt es von links und rechts. Befürworter und Gegner trafen sich am Freitagabend in Sempach zu einer rhetorischen Schlacht.

Finanzminister warnte vor einem Nein

Die Festhalle war mit rund 150 Gästen gut besetzt; unter ihnen zum Beispiel der Luzerner Finanzdirektor Marcel Schwerzmann (parteilos) oder die Nationalräte Andrea Gmür (CVP) und Franz Grüter (SVP). Das hatte wohl auch mit dem Auftritt von Ueli Maurer zu tun. Der SVP-Bundespräsident und Finanzminister hielt in seinem Referat fest, dass die AHV zwingend reformiert werden müsse, sonst sei im Jahr 2030/2031 kein Geld mehr vorhanden. Trotz der Teilfinanzierung via Staf sei aber eine Reform nach wie vor notwendig. «Und bei den Steuern ist international der Wettbewerb richtig losgegangen. Der Kampf um gute Steuerzahler ist entbrannt.» Das Ziel sei darum, die ausländischen Firmen steuerlich etwas stärker zu belasten, dafür die übrigen Unternehmen etwas weniger.

Maurer warnte mit leicht heiserer Stimme vor einem Nein, nur weil die Vorlage Altersvorsorge und Steuerreform verknüpfe. Staatspolitisch möge das zwar kritisiert werden, aber die wirtschaftlichen Interessen seien höher zu gewichten. «Die Firmen brauchen endlich Sicherheit, und der Reformdruck auf die AHV muss abnehmen.» In der Summe sei die Vorlage eine vernünftige Lösung. «Wer dabei von einem Kuhhandel spricht, vergisst, dass ein solcher immer fair ist.»

Bürgerlich-Linke Kontrahenten

Der zweite Teil des Anlasses, welcher von der CVP-nahen und 540 Mitglieder starken Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft Kanton Luzern ­organisiert wurde, war die Podiumsdiskussion. Unter der Leitung von Kari Kälin, Inlandredaktor unserer Zeitung, kreuzten für die Pro-Seite der Krienser CVP-Ständerat Konrad Graber und die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran sowie für die Kontra-Seite die Berner Grüne-Nationalrätin Regula Rytz und der Luzerner Jungfreisinnige Nicolas Rimoldi die Klingen. Letzterer ist Co-Präsident des bürgerlichen Referendumskomitees.

«Die Verknüpfung von zwei sachfremden Vorlagen wird auf dem Rücken der Jungen ausgetragen», so Nicolas Rimoldi. Bei der AHV brauche es eine richtige Reform, «keine kosmetische Korrektur wie bei der Staf». Mit der Verknüpfung werde zudem die Verfassung gebrochen.

Laut Konrad Graber hat das Bundesamt für Justiz die Rechtmässigkeit überprüft und die Verknüpfung für vertretbar befunden. «Es ist immer schwierig, Steuervorlagen alleine durchzubringen.» Das wäre sowieso inhaltlich falsch, sagte Jacqueline Badran. Schliesslich beschäftigten Unternehmen Steuerzahler. «Die Verknüpfung macht Sinn.» Badran hatte die gescheiterte Unternehmenssteuerreform III noch an vorderster Front bekämpft. Die Staf sei nun harmonischer und sehe auf steuerlicher Seite Instrumente vor, die es in anderen Ländern bereits gebe. «Und die AHV-Finanzierung braucht es. Undiskutabel.»

Regula Rytz kritisiert, dass die Steuerreform praktisch unverändert nochmals vorgelegt und mit der AHV-Finanzierung verknüpft wird. «Es ist doch ein Zeichen von Schwäche für die Steuerpolitik, wenn solche Vorlagen nur dann erfolgsversprechend sind, wenn sie ein Akzeptanzförderungspäckli angeklebt bekommen.» Konrad Graber erinnerte daran, dass die AHV seit 20 Jahren nicht mehr reformiert worden ist: «Der Reformdruck bleibt auch nach der Staf hoch.»

Jacqueline Badran fügte an, dass die Staf nicht freiwillig erarbeitet wurde. Nicht freiwillig werden laut Regula Rytz viele Gemeindevertreter weiteren Steuersenkungen für Firmen zustimmen. «Bei uns im Kanton Bern sagte man mir, dass die Aufgaben sonst nicht mehr wahrgenommen werden können.» Diesen Ball nahm Nicolas Rimoldi auf: «Die Staf wäre nicht gut für den Kanton Luzern.» Darauf konterte Konrad Graber, dass alle Kantone, auch Luzern, für die Vorlage sind. «Luzern wird von zusätzlich 38 Millionen Franken profitieren.»