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Russland

Hintergründe nach Krim-Explosion unklar

Kurz nach der Explosion auf der Brücke zwischen Russland und der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat die russische Armee Ziele im Süden der Ukraine angegriffen. Kiew meldete zwölf Tote und Dutzende Verletzte in der Stadt Saporischschja. Den Angaben nach hatte Russland dort Wohnhäuser bombardiert. Im südukrainischen Gebiet Cherson bereiteten die russischen Besatzer unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven die Evakuierung von Zehntausenden Zivilisten vor. Nach den zahlreichen Niederlagen bei ihrem Angriffskrieg tauschte Russland den Kommandeur der Armee aus.
Bild: Keystone/Maxar Technologies/AP/Uncredited

Die schwere Explosion auf der einzigen Verbindungsbrücke zwischen Russland und der von Moskau annektierten Halbinsel Krim weckte international Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. Nach Angaben Moskauer Ermittler soll ein von russischer Seite kommender, mit Sprengstoff beladener Lastwagen explodiert sein. Durch die Detonation gerieten mehrere mit Diesel gefüllte Kesselwagen eines Güterzuges auf der höher gelegenen Eisenbahnbrücke in Brand. Drei Menschen starben demnach.

Kremlchef Wladimir Putin hielt sich zunächst zurück. Er setzte eine Untersuchungskommission ein und wies eine strengere Bewachung der Brücke ein. Offen sind weiterhin die Hintergründe der Explosion. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äusserte sich nicht zu Gerüchten, sein Land sei bei der Explosion beteiligt gewesen.

Angriffe in Saporischschja

Selenskyj veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal Bilder schwer zerstörter Hochhäuser in Saporischschja. Dort sollen nach ukrainischen Angaben 12 Menschen getötet und 49 verletzt worden sein. Selenskyj sprach vom "absoluten Bösen"; die "Terroristen" würden vom Befehlsgeber bis zum Täter zur Verantwortung gezogen. Die Stadt Saporischschja wird anders als grosse Teile des gleichnamigen Gebiets nicht von russischen Truppen kontrolliert. Sie war bereits mehrfach Ziel von Angriffen. Nach ukrainischen Militärangaben sollen die russischen Truppen mindestens zwölf Raketen auf Wohngebäude abgefeuert haben. Eine russische Bestätigung gab es dafür nicht.

London: Kapazität der Strassenbrücke zur Krim deutlich verringert

Die Explosion dürfte nach Ansicht britischer Experten die Kapazität der Strassenverbindung erheblich verringert haben. Zwei der vier Fahrspuren seien auf einer Länge von 250 Metern eingestürzt. Die anderen beiden Spuren würden aber wahrscheinlich wieder genutzt, hiess es im täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums. Wie schwer die Schienenverbindung beschädigt ist, sei unklar, "aber jegliche schwerere Störung ihrer Kapazität wird höchstwahrscheinlich einen erheblichen Einfluss auf die bereits angespannten Fähigkeiten Russlands haben, seine Kräfte in der Südukraine zu versorgen", so die Mitteilung.

Der Zugverkehr lief nach russischen Angaben am Sonntag aber wieder nach Plan. Die Güter- und Fernverkehrszüge rollten im normalen Betrieb, teilte das Verkehrsministerium in Moskau mit. Am Abend solle auch der Regionalverkehr wieder beginnen, hiess es. Die Aufräumarbeiten dauerten demnach an. Im Autoverkehr kam es zu stundenlangen Wartezeiten an der Brücke, wie Medien berichteten.

Selenskyj lässt ukrainische Beteiligung an Explosion offen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj liess eine Beteiligung seines Landes an der Explosion auf der Krim-Brücke offen. In der Ukraine sei es grossteils sonnig und warm gewesen, "auf der Krim leider bewölkt, obwohl auch dort warm", sagte er in seiner täglichen Videoansprache in Anspielung auf die Detonation. Näher ging er auf den Vorfall nicht ein.

Putin befiehlt Geheimdienst verstärkte Kontrolle über Krim-Brücke

Putin wies per Dekret den Geheimdienst FSB an, die Kontrolle über die durch eine Explosion beschädigte Krim-Brücke zu verschärfen. "Dem FSB werden die Vollmachten übertragen zur Organisation und Koordination von Schutzmassnahmen für den Transportweg über die Meerenge von Kertsch, für die Strombrücke der Russischen Föderation auf die Halbinsel Krim und die Gaspipeline vom Gebiet Krasnodar zur Krim", heisst es in dem Dekret. Es ist die erste Massnahme, die der Kreml nach der Explosion ergriff.

Russischer Kommandeur ausgetauscht

Die russischen Truppen in der Ukraine haben nach zahlreichen Niederlagen bei ihrem Angriffskrieg einen neuen Kommandeur. Der 55 Jahre alte Armeegeneral Sergej Surowikin sei von Verteidigungsminister Sergej Schoigu eingesetzt worden, um die "militärische Spezialoperation" zu führen, teilte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow in Moskau mit. Schoigu kommt damit nach Meinung von Kommentatoren seinen Kritikern entgegen, die angesichts von Niederlagen eine Neuaufstellung der Truppen in der Ukraine gefordert hatten.

Massengrab in Lyman gefunden

Nach dem Abzug russischer Truppen aus der Stadt Lyman im Osten der Ukraine fanden die Behörden nach eigenen Angaben rund 200 Gräber und ein Massengrab. Mit den Exhumierungen sei bereits begonnen worden, schrieb der Militärgouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram. Die zeitweise von russischen Truppen besetzte strategisch wichtige Kleinstadt war von den Ukrainern Anfang Oktober zurückerobert worden. Bei den Toten könne es sich ersten Erkenntnissen zufolge sowohl um ukrainische Soldaten als auch um Zivilisten handeln, hiess es.

Evakuierung von Zivilisten in Cherson

Die russischen Besatzer bereiten unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven in dem von Moskau annektierten südukrainischen Gebiet Cherson die Evakuierung von Zehntausenden Zivilisten vor. Unter anderem seien die russischen Regionen Krasnodar und Stawropol zur Aufnahme von Kindern und Erwachsenen bereit, schrieb der Besatzungschef von Cherson, Wladimir Saldo. (sda/dpa)