Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat den neuen Zoll-Deal mit den USA vor den Medien ohne Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter erklärt. Das mag erstaunen.

Noch im Frühling hatte die Bundespräsidentin die Schweizer Delegation für Verhandlungen an der Seite ihres Wirtschaftsministers in die USA angeführt, war auch danach immer aktiv in die Verhandlungen und Kommunikation involviert. Und nun verzichtete sie auf die Vollzugsmeldung? Immerhin soll der Zoll von 39 Prozent auf 15 Prozent sinken.
Doch seit dem Frühling ist viel passiert.
Alles begann am 2. April mit dem sogenannten «Liberation Day», dem Befreiungstag, mit dem US-Präsident Donald Trump seinen weltweiten Handelskrieg startete. Sein oberstes Ziel: ausgeglichene Handelsbilanzen. Pech für die Schweiz, dass sie gegenüber den USA im Plus lag. Die Schweiz wurde deshalb im April mit 31 Prozent Zöllen abgestraft.
Im Mai trafen Keller-Sutter und Parmelin nach dem ersten Schock den US-Finanzminister Scott Bassent und hofften nach Grossbritannien ebenfalls auf ein vorteilhaftes Zoll-Abkommen. Doch es passierte lange nichts.
Dann flogen Keller-Sutter und Parmelin in die USA. Als sie zurückkamen, glaubten sie, den Zollsatz auf 10 Prozent heruntergehandelt zu haben. Sie taten dies ohne Abstimmung mit den USA.
Alles sollte anders kommen.
Das verhängnisvolle Telefonat mit Trump
Exakt am 1. August setzte Trump den Zollsatz auf 31 Prozent fest. Die Schweiz war schockiert. Es gibt Indizien, dass ein Telefonat zwischen Karin Keller-Sutter und Donald Trump Auslöser für den Umschwung gewesen ist - sie habe ihn belehrt, hiess es aus Washington. Diese Zeitung enthüllte, wie das Telefonat zwischen Trump und der Bundespräsidentin wirklich ablief. Später zeigte eine Tonaufnahme des Telefonats: von Belehrung keine Spur. Aber ein in seiner Eitelkeit verletzter Präsident.
Um die Wogen zu glätten, flogen Keller-Sutter und Parmelin Anfang August erneut in die USA. Sie kehrten mit leeren Händen zurück.
Keller-Sutter bleibt den USA fern
Und nun? Am Mittwoch war Parmelin erneut, aber allein nach Washington gereist, um mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer einen neuen Deal zu finalisieren. Keller-Sutter war nicht mit von der Partie.
Genau so wenig wie am Freitag bei der Medienkonferenz in Bern. Die Frage war berechtigt: Wollten die USA Keller-Sutter nach dem Streit um die Deutungshoheit des verhängnisvollen Telefonats mit Trump nicht mehr sehen?
«Das glaube er nicht», antwortet Guy Parmelin auf die entsprechende Frage eines Journalisten. Weiter ging er nicht darauf ein.

Auch bei anderen Ländern sei die Finalisierung nicht auf höchster Staatsebene erfolgt, betonte Guy Parmelin, um Brisanz aus der Situation zu nehmen. Man habe jedoch mit Jamieson Greer sorgfältig abgeklärt, dass man den Zoll-Deal verkünden könne. Vielleicht war das entscheidend.
Denn anders als im Frühling verkündete Greer den Deal zuerst. Gegenüber dem TV-Sender CNBC sagte er am Nachmittag: «Wir haben einen Deal erreicht. Die Details werden wir heute auf der Website des Weissen Hauses veröffentlichen.» Der Bundesrat bestätigte nachträglich.
Wobei: So ganz der Erste war Greer nicht mit der Neuigkeit. Es war Parmelins eigene Partei, der ein Lapsus unterlief. Noch vor den USA hatte die SVP Parmelin zum neuen Zoll-Deal gratuliert. Ein Versehen, so die Partei.


