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Eidgenössische Wahlen

«Geheimpapier»: So wollen Wirtschaftsverbände und Bauern 2023 Rot-Grün die Stirn bieten

Mit Blick auf die kommenden Wahlen weiten die Wirtschaftsverbände die Zusammenarbeit im bürgerlichen Lager erstmals auf die Bauern aus. Das gemeinsame Ziel: den rot-grünen Vormarsch stoppen.

Nach wenigen Wochen bereits gescheitert: Der bürgerliche Schulterschluss 2015 von Christophe Darbellay (CVP), Philipp Müller (FDP) und Toni Brunner (SVP, v.l.).
Bild: Keystone

Zwar hatte die Schweiz noch nie eine rot-grüne Mehrheit. Doch längst nicht immer führen die Stimmen der Bürgerlichen im Bundeshaus auch zu Mehrheiten. Zu unterschiedlich sind bisweilen die Vorstellungen von SVP, FDP und der Mitte-Partei, was denn wahre bürgerliche Politik sei.

Das sehen auch die Dachverbände der Wirtschaft und der Bauernverband so. Darum haben Economiesuisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband nun erstmals mit den Bauern eine «strategische Partnerschaft» vereinbart. Ziel der Vereinbarung: Die Verbände der Grosskonzerne und KMUs wollen künftig regelmässig mit den Bauern zusammenspannen, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Und das nicht nur wie bisher bei einzelnen Abstimmungen, sondern neu auch bei eidgenössischen Wahlen, wie sie im kommenden Jahr wieder anstehen.

«Die nationalen Organisationen der Wirtschaft und der Landwirtschaft haben erkannt, dass eine partnerschaftliche und verlässliche Kooperation wichtig ist, um auch künftig Mehrheiten zu finden»

... zitiert die Zeitung aus dem «Geheimpapier». Auf Anfrage von CH Media bestätigt Michael Wiesner am Sonntag zwar die Existenz der neuen Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Landwirtschaft. Herausgeben will der Kommunikationschef von Economiesuisse das entsprechende Papier allerdings nicht. Und im Gespräch relativiert er dessen Bedeutung: «Darin werden einzig die Grundzüge der Zusammenarbeit geklärt», sagt Wiesner. «In Sachfragen wollen wir Verbände künftig vermehrt zusammenarbeiten, um beim Volk an der Urne oder im Parlament auch wirklich Mehrheiten zu haben.»

In einem ersten Schritt soll die neue Allianz im bürgerlichen Lager bereits bei den Abstimmungen vom September spielen, wie am Sonntag auch Andy Müller, Sprecher des Arbeitgeberverbands, auf Twitter schreibt:

Im Herbst wird nebst zwei AHV-Vorlagen an der Urne nämlich auch über die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer und die Initiative gegen Massentierhaltung abgestimmt. Während erstere vorab die Wirtschaft versenken will, ist es bei Letzterer vorab der Bauernverband.

Darum, so hat Anfang Woche bereits der «Blick» berichtet, sollen Bauern auf Ihren Feldern im Herbst etwa auch Plakate der Wirtschaftsverbände aufstellen. Zu Details der Abstimmungskampagnen wollen die Wirtschaftsverbände und Bauernvertreter laut Wiesner nach der Sommerpause informieren.

Gescheiterter Versuch zum «Bürgerlichen Schulterschluss»

Dabei zeigt eine kleine Geschichte vergangener Wahlkämpfe: Der Wunsch nach mehr Geschlossenheit im bürgerlichen Lager in der Schweiz ist nicht neu. Aber mit vielen Stolpersteinen versehen. Während es im vergangenen Wahlkampf auf nationaler Ebene offiziell keine bürgerliche Allianz gab, war eine solche vier Jahre zuvor noch unterzeichnet worden.

Der sogenannte «Bürgerliche Schulterschluss» zwischen den damaligen Parteipräsidenten Toni Brunner (SVP), Philipp Müller (FDP) und Christophe Darbellay (CVP) hielt allerdings nur ein paar Wochen. Dann erklärte ihn Brunner noch mitten im laufenden Wahlkampf bereits zur «Makulatur».

Die Präsidenten Martin Landolt (BDP), Christophe Darbellay (CVP), Philipp Müller (FDP) und Toni Brunner (SVP) 2014 bei ihrer Gripen-Werbeaktion.
Bild: Keystone

Was dagegen immer wieder vorkommt im Schweizer Politalltag sind parteiübergreifende Auftritte in Abstimmungskämpfen. Für viel Gesprächsstoff sorgte in jüngerer Zeit etwa der Auftritt der vier Präsidenten von BDP, CVP, FDP und SVP im Jahr 2014 für den Kampfjet Gripen.

Die Vorlage fiel beim Volk dennoch durch. Und weil während den Sessionen der eidgenössischen Räte damals auf dem Bundesplatz noch ein striktes Demonstrationsverbot galt, hatte die Aktion für Martin Landolt, Christophe Darbellay, Philipp Müller und Toni Brunner zudem ein juristisches Nachspiel.