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SCHWEIZ-EU

EU-Abgeordneter will mit «Geheimpapier» die Schweiz aus der Sackgasse holen

Andreas Schwab, Leiter der Schweiz-Delegation im EU-Parlament, legt seine Vorschläge für die Lösung der institutionellen Fragen auf den Tisch.

Macht einen Vorstoss zur Deblockierung: EU-Parlamentarier Andreas Schwab.
Bild: Bild: Keystone

«Strictly confidential», streng vertraulich, steht über dem 9-seitigen Konzeptpapier, welches Andreas Schwab, CDU-Europaabgeordneter und Chef der Schweiz-Delegation an seine Kollegen sowie die Präsidentin des EU-Parlaments Roberta Metsola geschickt hat. Darin enthalten: Seine Vorschläge, wie das nach dem Aus des Rahmenabkommens im vergangenen Mai in die Sackgasse geratene Verhältnis Schweiz-EU wieder auf Kurs gebracht werden kann.

Konkret präsentiert der gelernte Jurist seinen Entwurf zur Aufdatierung der bilateralen Abkommen, der versucht, den Wünschen des Bundesrates Rechnung zu tragen. Dieser hat im vergangenen Februar entschieden, kein breites, übergeordnete Rahmenabkommen mehr anzustreben. Stattdessen sollen die Fragen der dynamischen Rechtsübernahme und der Streitschlichtung einzeln, in jedem Abkommen selbst adressiert werden. Dafür legt Schwab nun seinen Ansatz vor.

Vertikaler Ansatz horizontal verknüpft: Eine juristische Schlaumeierei?

Allein: Was Schwabs Papier als «streng vertraulich» klassifizieren soll, bleibt schleierhaft. Viel Bahnbrechendes steht in dem sogenannten «Non-Paper» jedenfalls nicht drin.

Schwab zielt darauf ab, jedes Abkommen zwar einzeln, aber mit dem gleichen institutionellen Zusatz zu versehen und daher «identisch» zu aktualisieren. Das kommt der Form halber zwar dem vom Bundesrat angestrebten «vertikalen Ansatz» gleich. Allerdings wären institutionelle Anpassungen je nach Abkommen, die der Bundesrat namentlich bei der Personenfreizügigkeit anstrebt, nicht möglich. Im Endeffekt wäre es also wieder ein horizontaler Ansatz wie beim Rahmenabkommen. Kritiker würden wohl sagen: eine juristische Schlaumeierei.

«Myth-Busting» über Zuwanderung in die Sozialsysteme

Neben seinem institutionellem Lösungsangebot versucht sich der EU-Parlamentarier Schwab aber auch an Aufklärungsarbeit. Seiner Meinung nach ist die Debatte über das Rahmenabkommen in der Schweiz von teilweise «unsinnigen Argumenten» gefangen. Zum Beispiel bei der Zuwanderung in die Sozialsysteme. Diese sei auch unter EU-Recht nicht vorgesehen: «Einfach gesagt: Keine Anstellung, kein Geld, keine Niederlassungsbewilligung», schreibt Schwab.

In umgekehrter Richtung verweist er darauf, dass auch in der EU die Ausschaffung von kriminellen EU-Bürgern möglich sei. Beim Streit um den Lohnschutz wiederholt er nochmals, dass auch in der EU der Grundsatz «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» gelte. Dazu verweist er auf die Schweizer Eigenheiten einer lediglich auf 90 Tage beschränkten Entsendung und eine viertägige Voranmeldefrist, wie sie die EU schon im Entwurf des Rahmenabkommens zugesichert hat.

Ob das Papier aus dem EU-Parlament seine beabsichtigte Wirkung entfalten wird, ist ungewiss. Es ist die EU-Kommission und nicht das EU-Parlament, die die Gespräche mit Staatssekretärin Livia Leu führt. Diese wird am 11. November für eine neue Runde in Brüssel zu Gast sein.

Die EU-Mitgliedsstaaten ihrerseits rechnen aber anscheinend nicht mehr mit einem baldigen Durchbruch. Ihre für dieses Jahr geplante gemeinsame Stellungnahme zum Verhältnis Schweiz-EU wurde wieder von der Agenda genommen, da es bei den Gesprächen nicht vorwärts gehe, heisst es. Fürs Weitere gelten demnach die Schlussfolgerungen von 2019, in denen klar steht: Ohne institutionelle Lösung keine neuen Abkommen.