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Schweiz

«Es geht nicht um Laubers Person»: Warum Gerichtskommissionspräsident Caroni darauf pocht, streng nach Gesetz vorzugehen

Warum der umstrittene Bundesanwalt Michael Lauber ein Anrecht auf ein gerechtes Verfahren hat.
Alle hoffen, dass der Bundesanwalt noch zum «Befreiungsschlag» ausholt und von sich aus zurücktritt. (Bild: Peter Klaunzer/Keystone)

Henry Habegger

Am Mittwoch hört die Gerichtskommission (GK) Bundesanwalt Michael Lauber an. Danach entscheidet sie, ob sie ein Amtsenthebungsverfahren gegen den umstrittenen Bundesanwalt einleitet. Während viele Parlamentsmitglieder Lauber am liebsten sofort absetzen würden, pocht der Präsident der Gerichtskommission, Ständerat Andrea Caroni (FDP, AR) darauf, «die geltenden Regeln» einzuhalten.

Caroni widerspricht der Darstellung, dass es Versuche gebe, nach einer allfälligen Verfahrenseröffnung Zeit zu gewinnen. «Ein Amtsenthebungsverfahren müsste durchaus mit Zug vorangetrieben werden. Aber vor der Herbstsession im September könnten wir ohnehin nicht über die Amtsenthebung entscheiden», sagt Caroni. «Es geht um eine äusserst bedeutsame Frage im Gefüge der Gewalten. Und was man ihm auch vorwirft, so hat der Bundesanwalt wie jeder Bürger und jede Bürgerin Anrecht auf ein korrektes Verfahren. Ein solches lässt sich nicht in den paar Tagen bis zur Sommersession im Juni durchpauken.»

Bis im September aber, ist Caroni überzeugt, werde der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in St.Gallen zur Beschwerde vorliegen, die Lauber gegen die Disziplinarverfügung seiner Aufsichtsbehörde (AB-BA) eingereicht hat. «Ich rechne damit, dass wir das Urteil noch im Sommer erhalten», sagt Caroni. «Dann könnten wir im September in Kenntnis dieses Urteils über die Amtsenthebung befinden.»

Nur: Was, wenn der Bundesanwalt den St.Galler Entscheid ans Bundesgericht weiterzöge? Caroni: «Das Parlament hätte kaum die Geduld, einen Weiterzug abzuwarten. Der Entscheid aus St.Gallen würde also für uns gelten. Das Bundesverwaltungsgericht kann den ganzen Sachverhalt prüfen und damit diese Arbeit für uns machen. Das Bundesgericht kann das ohnehin nicht.» Die GK verlöre also keine Zeit, aber gewänne an Informationen und vermiede Widersprüche, wenn sie den St.Galler Gerichtsentscheid einfliessen liesse, so der Ständerat. Abstellen auf den Gerichtsentscheid ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: Wenn das Gericht die Verfügung der Aufsicht im Grossen und Ganzen stützt, ist der Fall klar: Dann wird Lauber im September des Amtes enthoben, sofern er nicht von sich aus zurücktritt.

Kniffliger würde es, falls das Bundesverwaltungsgericht die Verfügung vollends aufhöbe. Dann wäre die GK in der Zwickmühle. Es bliebe aber wohl das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen dem Parlament und dem Bundesanwalt. Die Kommission könnte zudem selbst Vorwürfen nachgehen, die im Nachgang zur AB-BA-Verfügung in den Medien aufgetaucht sind.

Das heutige Gesetz ist – zum Schutz der Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft – sehr eng gefasst. Die Wahlbehörde kann den Bundesanwalt genau aus zwei Gründen des Amtes entheben: Wenn er «vorsätzlich oder grob fahrlässig Amtspflichten schwer verletzt hat» oder wenn er dauerhaft nicht mehr klar im Kopf ist. Die Verletzung der Amtspflichten muss dem Amtsinhaber nachgewiesen werden. Dies gerichtsfest abzuklären, setze eben ein korrektes Verfahren voraus, sagt Jurist Caroni.

Gesetz sollte ergänzt werden, meint Caroni

Der Gesetzgeber könnte aber prüfen, künftig weitere Fälle zu erfassen, so Caroni. Der Bundesanwalt könnte dann etwa auch des Amtes enthoben werden, wenn das Vertrauensverhältnis zur Wahlbehörde nachhaltig gestört sei, wie es schon heute im Bundespersonalgesetz steht. Allerdings müsste man in diesem Fall darauf achten, dass die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft gewahrt bliebe.

Einfacher wäre das Ganze, wenn die Aufsichtsbehörde selbst den Antrag gestellt hätte, Lauber des Amtes zu entheben. Dann müsste die GK nicht von sich aus aktiv werden. Aber die AB-BA verzichtete auf den Antrag, offenbar weil sich nicht einig war. Sie beschränkte sich darauf, Lauber den Lohn während eines Jahres um acht Prozent zu kürzen. Kritiker sagen, der AB-BA habe der Mut gefehlt.

«Es geht um die Institution, nicht die Person des Bundesanwalts», betont Caroni. «Ein Befreiungsschlag seinerseits würde natürlich vieles erleichtern. Aber wir als Parlament dürfen jetzt, auch wenn wir eine schwierige Situation haben, nicht von den Prinzipien des Rechtsstaats abweichen, sonst richten wir einen noch grösseren Schaden an.»