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Stromspar-Kampagne

Energie-Allianz: Ein vielstimmiger Chor singt das Lied der Eigenverantwortung – schiefe Töne garantiert

Seit einer Woche gibt es die Energiespar-Alliance unter Schirmherrschaft der Bundesräte Sommaruga und Parmelin. Die Kommunikationskampagne musste kurzfristig durch vier grosse Agenturen gerettet werden – und erzählt viel über die Mechanismen der Verband-Schweiz.

Hauptsache, es scheint: Vor einer Woche gaben Guy Parmelin und Simonetta Sommaruga den Startschuss zur Energie-Allianz.
Bild: Peter Klaunzer / KEYSTONE

Der Werbespot ist so sparsam, er ist eigentlich nur ein Song. Von irgendwo klimpert ein Klavier nervös die immergleichen drei Töne, das Bild ist dunkel. Nacheinander hallen die mahnenden Stimmen von Wirtschaft und Politik aus dem Off. Mit jedem Satz geht ein Licht auf, es setzt der Bass ein, die Streicher und etwas Schlagwerk, um schliesslich bei den Worten von Economiesuisse-Chefin Monika Rühl zu kulminieren: «Werden auch Sie Teil der Energiespar-Alliance.» Ein Mosaik aus Logos von dutzenden Organisationen, Gemeinden und Firmen flackert auf, Schnitt, Ende.

Das Lied von der Stromspar-Kampagne trägt die Handschrift von Energieministerin Simonetta Sommaruga, die gerne an runden Tischen sitzt, und Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der die Verantwortung gerne dem Markt überlässt. Vor allem aber besingt es die Mechanismen der politischen Schweiz.

Schweizerische Mitmach-Mentalität

Ende August traten Sommaruga und Parmelin vor die Medien, um eine Energiespar-Kampagne vorzustellen. Sie sollte die Bevölkerung in die Pflicht nehmen, eine Mangellage im Winter vorzubeugen. Das klang wie Adolf Ogi beim Eierkochen und sah aus wie durch das Visier eines Jägers, der sich in der Küche verlaufen hatte: Mit Wärmebildern von Backofen befeuerte der Bund das schlechte Gewissen der Schweiz.

Flankiert wurde der Appell von vierzig Organisationen, die gemeinsam mit dem Bund die «Energiespar-Alliance» gegründet hatten. Das sperrige Wort, weder deutsch noch französisch, symbolisiert nicht nur die viersprachigen Zwänge in der Bundespolitik. Hinter ihm vereinen sich auch all jene, die in der Schweiz etwas zu sagen haben: die Verbände. Kaum eine gewichtige Lobby-Gruppe scherte aus und so entstand eine Organisation der Organisationen. Eine Babuschka gegen die russische Energie-Abhängigkeit.

Zu jenem Zeitpunkt standen grosse Unternehmen wie Coop, die SBB oder die Energiewerke längst im intensiven Austausch mit dem Bund. Als kritische Infrastrukturen hatten sie sich seit Monaten damit auseinandergesetzt, wie sie mit weniger Energie den Betrieb aufrechterhalten können. Aber darum geht es bei der Energie-Alliance nicht. Sie ist über weite Strecken eine reine Kommunikationskampagne, die signalisieren soll: Die Schweiz hält zusammen, um den Winter ohne einschneidende Massnahmen durchzustehen.

Eine ziemlich zufällige Auswahlsendung

Nun ist es nicht ganz einfach, die gesamte Schweiz unter einen Hut zu bringen. Für nervöse Telefonate in den Teppichetagen der Detailhändler sorgte etwa der Umstand, dass der Bund Coop auf die Liste der Mitglieder hob, die Migros, Manor oder Lidl aber nicht. Diese bekannten sich zwar genauso zu den Sparzielen der Regierung, waren aber lediglich in der «IG Detailhandel» auf der Mitgliederliste mitgemeint.

Präsident dieses Verbands ist Philipp Wyss, CEO von Coop. Und weil Wyss auf einem Podium zur Energiespar-Alliance auftrat, rutschte plötzlich Coop auf die Liste. Unter dem Argwohn der Konkurrenz bat Coop dann das Bundesamt für Energie, den Fehler auszubügeln, was bis heute nicht passiert ist.

Seit Ende August ist die Versammlung der Energie-Alliierten auf über 180 Organisationen angewachsen, wie Parmelin und Sommaruga vor einer Woche bekanntgaben. Mit jedem Mitglied stieg der Grad der Zufälligkeit. So findet sich etwa ein Coiffeursalon aus Luzern in der Sammlung, dafür fehlen die neun grössten Unternehmen der Schweiz. Die Gemeinde Niederbipp und der Kanton Appenzell Innerrhoden sind mit von der Partie, hingegen fehlen Zürich wie Basel.

Die Hauruck-Übung

Der Hintergrund: Die Energie-Allianz wurde in aller Eile zusammengeschustert. Eigentlich wäre die Werbeagentur Scholz & Friends mit der Sparkampagne des Bundes betraut gewesen. Aber diese hat ihren Sitz in Hamburg und nur eine Dependance in Zürich. Weil ihr die Kontakte in die Schweizer Wirtschaft fehlten, mussten kurzfristig andere Agenturen das Netzwerken übernehmen.

Der Bund ging auf Nummer sicher und engagierte gleich vier: CRK, Furrerhugi, Hirzel.Neef.Schmid und FS Activation, wie das Bundesamt für Energie bestätigt. Zumindest die ersten drei gehören zur «Big four» der politischen Kommunikation in diesem Land und sie standen vor einer Hauruck-Übung. Immerhin: Die Mehrkosten hielten sich mit 178'000 Franken plus Mehrwertsteuer in Grenzen.

Gute Werbung ist nur dann glaubwürdig, wenn man auch wirklich an das Produkt glaubt. So etwas weiss natürlich ein erfahrener PR-Manager wie Lorenz Furrer von Furrerhugi, und setzte deshalb das Kaufhaus Loeb auf die Liste – die Firma seiner Frau. Zwar wäre dieses eigentlich schon durch die «Swiss Retail Federation» vertreten gewesen, aber item. Noch einen Schritt weiter ging FS Activation: Sie setzte sich mit ihrem Tochterunternehmen Digital Hub gleich selber auf die Liste.

Ein Fragebogen zum Schluss

Dennoch: Viele Bekenntnisse der Firmen dürften einen echten Unterschied in der Schweizer Energiebilanz ausmachen. Holcim etwa plant die Revision von drei Zementwerken von Frühling in den Winter zu verlegen – und spart damit zwischen 15 und 20 Prozent des geplanten Stromverbrauchs in der kritischen Zeit.

Die SBB reduzieren die Temperatur in den Zügen und die Post in den Büros – die Einsparnisse belaufen sich auf mehrere Gigawattstunden Strom. Zumindest sind dies ihre eigenen Versprechungen. Auch wenn sie darüber nur in einem Fragebogen Rechenschaft ablegen werden müssen, sie einzuhalten, macht bei den aktuellen Energiepreisen ja auch Sinn. Manchmal liegen Verantwortung übernehmen und Eigeninteresse eben ziemlich nah beieinander.