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Deutschland

Deutscher Bundestag beschliesst Bürgergeld

Der Bundestag hat in Deutschland das von der Mitte-Links-Regierung geplante Bürgergeld auf den Weg gebracht. SPD, Grüne und FDP - die Parteien der "Ampel"-Koalition - stimmten am Donnerstag mit ihrer Mehrheit für das Gesetz.
Bild: Keystone/dpa/Michael Kappeler

In namentlicher Abstimmung votierten 385 Abgeordnete dafür, 261 dagegen. Es gab 33 Enthaltungen. Das Bürgergeld soll mit dem Jahreswechsel schrittweise das heutige Hartz-IV-System ablösen. Allerdings ist dafür noch eine Zustimmung im Bundesrat nötig, der voraussichtlich am Montag darüber entscheidet. Die Christdemokraten haben damit gedroht, das Bürgergeld dort zu blockieren, weil es aus ihrer Sicht die Motivation senkt, eine Arbeit anzunehmen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warb nach der Debatte im Bundestag um Zustimmung in der Länderkammer. "Falls das nicht gelingen sollte, gibt es noch eine Chance, nämlich die Möglichkeit, in einem zügigen Vermittlungsverfahren zu Ergebnissen zu kommen."

Man müsse aber bis spätestens Ende November fertig sein, damit das Bürgergeld zum 1. Januar in Kraft treten könne. Mit Vermittlungsverfahren ist eine Kompromisssuche im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gemeint.

Im Bundestagsplenum lieferten sich Vertreter der "Ampel"-Koalition und der Opposition vor der Schlussabstimmung Wortgefechte. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Hermann Gröhe (CDU) warf der Ampelkoalition vor, sich jeglicher Debatte über die "Webfehler" des Bürgergeld-Gesetzes zu verweigern und Kritik an der Reform von anderer Stelle, etwa von Städtetag und Landkreistag, zu ignorieren.

Heil verteidigte die Pläne: Es handele sich um die "grösste Sozialstaatsreform seit 20 Jahren". Sie solle es Menschen ermöglichen, auch nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit wieder eine berufliche Perspektive zu finden. Im System sei etwas falsch, wenn Menschen lediglich immer wieder in Hilfstätigkeiten vermittelt würden, statt dauerhaft Arbeit zu finden, erklärte er.

Abgeordnete von Grünen und FDP wiesen die seit Wochen geäusserte Kritik vor allem aus CDU und CSU mit scharfen Worten zurück. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, nannte es "schizophren und unredlich", dass die Union behaupte, dass Menschen mit Bürgergeld künftig mehr Geld hätten als Geringverdiener. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Hasselmann warf CDU-Chef Friedrich Merz vor, sich "in Vorurteilen gegenüber Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind" zu ergehen und "Sozialneid" zu schüren.

Die Ampel-Pläne für das Bürgergeld sehen eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro vor. Hinzu kommen die Kosten für Miete und Heizung. Arbeitslose sollen zudem künftig weniger durch angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt und dafür bei Weiterbildungsmassnahmen stärker unterstützt werden. Zudem sollen Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgrösse bei Leistungsbeziehern gelockert werden.

Im Bundesrat bräuchte die "Ampel" für ihr Vorhaben 35 der 69 Stimmen. Die von der CDU oder CSU geführten oder mitregierten Länder kommen aber zusammen auf 39 Stimmen. Auch in den Ländern, wo sie nur den kleineren Regierungspartner stellt, kann die CDU eine Enthaltung in der Länderkammer erzwingen. Enthaltungen wirken im Bundesrat wie Nein-Stimmen, weil sie als Ja-Stimmen fehlen. (sda/dpa)