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Energiekrise

«Den Winter überstehen»: Frankreich macht nachts die Lichter aus

Weniger heizen, weniger beleuchten, weniger rasen: Frankreichs Regierung präsentiert einen breitgefächerten Energiesparplan – inklusive einem «Wetterbericht» für den Stromverbrauch.

Mit 16 Empfehlungen, die für alle Unternehmen gelten, möchte Frankreich seinen Stromverbrauch im Vergleich zur Vor-Covid-Zeit bis 2024 um zehn Prozent senken.
Bild: EPA

Das Ziel lautet, wie Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag sagte: «Den Winter überstehen.» Die bewusste Dramatisierung soll die Wirtschaft und die Verwaltung, aber auch die einzelnen Französinnen und Franzosen anhalten, im Vergleich zur Vor-Covid-Zeit landesweit zehn Prozent Energie einzusparen. Dies nicht unbedingt schon in diesem Winter, sondern bis 2024.

Die Arbeitgeberverband Medef hat mit der Regierung eine Charta von 16 Empfehlungen ausgearbeitet, die für alle Unternehmen gelten. Geheizt wird am Arbeitsplatz nur auf 19 Grad. Die Beleuchtung soll nach Büro- und Fabrikschluss sofort oder stufenweise heruntergefahren werden.

Supermärkte senken zum Beispiel die Lichter während der Öffnungszeiten um 30 Prozent – oder sogar um 50 Prozent, bevor die Kundschaft eintrifft. Hotels und ähnliche Betriebe sollen Räume ohne Kundenzugang nur noch auf 17 Grad heizen.

Die Büros sollen kürzer gelüftet werden. Firmenleuchtlogos – auch von Bistros und Restaurants - und Leuchtreklamen werden zwischen ein Uhr nachts und sechs Uhr in der Früh abgestellt.

Entschädigung für Homeoffice und Carsharing

Das Homeoffice wird auch zum Energiesparen gefördert und entsprechend organisiert, sodass die Büro drei bis vier Tage in der Woche unbeleuchtet und -beheizt bleiben. Staatsbeamte erhalten zu dem Zweck eine höhere Homeoffice-Entschädigung.

Für die Arbeitswege wird die Benützung der Bahn gefördert; wer sich zum Carsharing einschreibt, dürfte einen Bonus von 100 Euros erhalten. Staatsbeamte haben auf der Autobahn nicht mehr mit 130, sondern nur noch auf 110 Stundenkilometern zu fahren. Ob das praktisch durchsetzbar ist, muss sich weisen.

Schwimmbäder senken die Wassertemperatur um ein Grad, Turnhallen ihre Lufttemperatur um zwei Grad. In den Toiletten öffentlicher Gebäuden wird das heisse Wasser abgestellt. Die Gemeinden sollen ihre Strassenbeleuchtung einschränken.

Die Regierung stellt ferner einen Sofortkredit von 150 Millionen Euro bereit, um einfache Massnahmen zur Gebäuderenovation sofort zu subventionieren – «intelligente» Themostaten, LED-Leuchten oder Doppelverglasung. Wer auf Wärmepumpen umstellt, erhält eine Prämie, die bestehende Steuerkredite für nachhaltige Heizungen ergänzt.

Bericht über den landesweiten Energiekonsum im Anschluss der Nachrichten

Auf Zwangsvorschriften verzichtet die Regierung – vorerst. «Wir schaffen keine Polizei der Temperatur-Einhaltung», meinte Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher. Hingegen wird eine gross angelegte Kommunikationsoperation die Citoyens auf das Energiesparen einstimmen.

Zu dem Zweck entsteht eine Art Wetterbericht für den landesweiten Energiekonsum, der im Anschluss an die abendlichen TV-Nachrichten ausgestrahlt wird. Stehen die Zeichen auf grün, läuft die Elektrizitätsversorgung rund. Nehmen die Spannungen im Stromnetz zu, schalten die Indikatoren auf orange – womit die Betroffenen angehalten sind, ihre «Ökogesten» zu verstärken, wie Xavier Piechaczyk vom nationalen Stromnetzes RTE erklärte. Rot heisst ihm zufolge: «Wenn wir den Konsum nicht sofort herunterfahren, werden Rettungsmassnahmen nötig.»

Einen Blackout hält der RTE-Vorsteher nur für denkbar, wenn drei Faktoren zusammentreffen: Unübliche Kälte, Gaslieferausfall und ein neuer Rückstand bei der AKW-Wartung. Piechaczyk zufolge sollte der aktuelle Ausfall von 32 der 56 französischen Atomkraftwerke bis Dezember teilweise und bis im Februar vollständig behoben sein – aber eben nur, wenn keine neuen Korrosionsprobleme auftauchen.