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Ersatzwahl

Während die SP auf ein Frauenticket setzt, ist Daniel Jositsch auf Kamikaze-Mission und ficht den Kampf eines Enttäuschten

Die offensive Kommunikation der SP-Parteispitze betreffend neuer Bundesrätin sorgt für öffentliche Irritation. Und einer hält das sogar für «diskriminierend». Der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch legt derzeit einen ambitiösen Steigerungslauf auf einen Bundesratssitz hin.

Nur drei Stunden nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga verkündete die Parteispitze der SP, sie wolle mit einem Ticket von zwei Frauen in die Ersatzwahl gehen. Es hätte wohl reaktionsschnell aussehen sollen, kompromisslos die Sache der Frau in den Vordergrund rückend. Stattdessen wirkte die SP-Führung überhastet. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, die Fraktion selber zum Schluss kommen zu lassen: Wahrscheinlich steht es der Partei nicht gut an, mit zwei Männern im Bundesrat ein Wahljahr anzutreten.

Die offensive Kommunikation der Parteispitze schürte öffentliche Irritation. Damit sah sich ein Mann bestätigt, der schon lange unverhohlen auf einen Bundesratssitz schielt und sich jetzt ausgebootet vorkam: Daniel Jositsch, Zürcher Ständerat.

Jositsch sass mit am Tisch, als die Parteileitung um das Präsidium Cédric Wermuth und Mattea Meyer sowie Fraktionspräsident Roger Nordmann das Frauenticket traktandierte. Da sah er, der seine Karriere gut geplant hatte, seine Felle davonschwimmen. Er legte Protest ein. Und blieb damit allein. Entsprechend zurückhaltend äusserte er sich im Anschluss über eine eigene Kandidatur. Er würde sich dies erst überlegen, wenn die Fraktion einen Mann auf dem Ticket wünsche, sagte Jositsch.

Später an jenem Tag trat er im «Talk Täglich» von Tele Züri auf. Auch da mässigte sich Jositsch und verteidigte gar den Entscheid vom Mittag: Es gehe schliesslich darum, einen Wechsel zu vollziehen, damit dereinst die SP auch einen Mann aus der Deutschschweiz in den Bundesrat schicken kann. Seit Moritz Leuenberger war die Formel: Frau aus der Deutschschweiz, Mann aus der Romandie. Gegen Ende der Sendung wurde immer augenfälliger, wie sehr sich Jositsch für eine Romande starkmachte. Das mutmassliche Kalkül: Wenn dann Berset zurückträte, könnte er als Deutschschweizer in die Kränze kommen. Doch dabei beliess er es nicht.

Gerüchte über eine wilde Kandidatur

Etwas muss an Jositsch genagt haben. Schon lange werden ihm Regierungsambitionen nachgesagt. Zuletzt hatte er, der eher am bürgerlichen Rand politisiert, sich mit Vehemenz für sehr linke Anliegen eingesetzt. Als ob er beweisen müsste, dass er eben doch ein ganzer Genosse war. Für das Frontex-Referendum kämpfte er an vorderster Front.

Bei der Ersatzwahl vom 7. Dezember würde nicht nur Jositschs Timing stimmen: Er könnte sogar die Zürcher Fahne hochhalten. Mit Maurers Rücktritt ist der grösste Kanton der Schweiz womöglich bald nicht mehr in der Exekutive vertreten.

Im «Tages-Anzeiger» vom Freitag nährte Jositsch Gerüchte über eine wilde Kandidatur, im Westschweizer Fernsehen kritisierte er gleichentags das Frauenticket als «diskriminierend». Jositschs Enttäuschung wurde zum Steigerungslauf und damit zum Problem für eine Partei, die sich aus ihrer Mitte mit einer Genderdebatte konfrontiert sieht. Nachdem Nordmanns Intervention («Es gibt kein Grundrecht, Bundesrat zu werden») nicht fruchtete, sah sich in der «Sonntags-Zeitung» Mattea Meyer gezwungen, Jositsch zur Räson zu bringen. Präventiv verlangt sie, Jositsch solle bei einer allfällig wilden Wahl das Ticket der Partei respektieren. Klartext: Er soll das Amt nicht annehmen.

Unterstützung – nur von wem?

Für alle Parteien rechts der SP ist die Auseinandersetzung eine Win-win-Situation: Bestenfalls können sie einen ziemlich bürgerlichen Kandidaten wählen – gesetzt den Fall, dass die Fraktion den Parteileitungsentscheid kippt. Oder sie können zwischenzeitlich der SP bei der Selbstzerfleischung zusehen.

Noch lässt sich Jositsch nicht beirren. Sagt, er erfahre intern und extern viel Rückendeckung. Nur: Davon ist wenig bis nichts zu sehen. Kein einziger SP-Mann stellte sich bislang an Jositschs Seite, von den Frauen äusserten sich dergestalt lediglich die Parlamentarierinnen Franziska Roth und Gabriela Suter. Mehrere SP-Mitglieder hingegen sagen: Jositsch hat sich verrannt. Mustafa Atici, Nationalrat aus Basel, findet das zwar nicht. Aber auch er sagt klar: «Ich unterstütze die Haltung der Parteispitze, zwei Frauen zu nominieren.» Wie Jositsch gilt Atici als bürgerlicher Pol innerhalb der SP.

Bei einer Umfrage unter Fraktionsmitgliedern verdichtet sich das Bild eines Enttäuschten, der sein Karriereziel Bundesrat wohl verpasst: Jositsch ist auf einer parteiinternen Kamikaze-Mission, in der er seine Ambitionen über das Kollektiv stellt. Es sei schwer vorstellbar, dass ihm das eine Partei durchgehen lässt, die Gleichstellung zum Kernthema erklärt hat, sagen alle. Schwer vorstellbar auch, dass sie ihm bei einer nächsten Ersatzwahl schon verziehen hat.