Seit Jahren beschäftigen sich das Parlament, Behindertenorganisationen und der Bund mit den IV-Renten. Zuletzt befasste sich im März auch das Bundesgericht damit. Dieses will zwar an der geltenden IV-Praxis festhalten, äusserte jedoch auch Kritik.
Es geht darum, wie der Anspruch auf eine IV-Rente berechnet wird und wie fair das System ist. Heute vergleicht die IV den Lohn, den eine Person vor einem Unfall oder Krankheit verdienen konnte mit dem Lohn danach. Die Differenz ergibt den IV-Grad, der über berufliche Umschulung und Rente bestimmt.
Statistik-Löhne sind oft zu hoch
Die Berechnung, welchen Lohn jemand mit einer Beeinträchtigung in seinem neuen Job erhalten wird, ist aber schwierig. Daher orientieren sich die Behörden oft an Zahlen aus der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik. Das Problem: Die dort ausgewiesenen Löhne sind gemäss zwei Studien höher, als die gesundheitlich eingeschränkten Arbeitnehmenden tatsächlich erwirtschaften können.
Die Gesundheitskommission des Nationalrats reichte daher im April eine Motion ein. Sie forderte den Bundesrat auf, bis Mitte 2023 eine neue Bemessungsgrundlage einzuführen, die realistische Einkommensmöglichkeiten von Personen mit einer Beeinträchtigung berücksichtigt. Der Nationalrat stimmte der Motion in der Sommersession zu – entgegen dem Willen des Bundesrats.
Mehr Zeit für Umsetzung
Am Montag folgte ihm der Ständerat mit 33 zu 4 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Allerdings verlängerte er die Umsetzungsfrist um ein halbes Jahr bis Ende 2023. Sie möchte dem Bundesrat damit sechs Monate mehr Zeit geben, um die neue Bemessungsgrundlage zu implementieren. Die abgeänderte Motion geht damit zurück in den Nationalrat.
Der Bundesrat ist zwar grundsätzlich bereit, das Anliegen aufzunehmen. Seine Kritik richtet sich an den Zeitplan – mit Verweis auf die seit Januar laufende IV-Reform. Seiner Ansicht nach braucht es für eine aussagekräftige und seriöse Evaluation dieser Neuerungen Daten von zwei Jahren – etwa um die Auswirkungen auf die IV und alle anderen betroffenen Sozialversicherungen darlegen zu können. Eine allfällige Verordnungsänderung könne daher frühestens 2025 in Kraft treten.