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SRF Arena

Bis dem Immobilien-Chef die Worte fehlen – Badran teilt in der Wohnpolitik-Arena aus

In der SRF-Arena vom Freitag diskutierten Politiker über die Gründe der drohenden Wohnungsnot – allen voran Jacqueline Badran. Eine Lösung auf Bundesebene scheint nicht in Sichtweite.

SRF-«Arena» zur drohenden Wohnungsnot (von links): Roland Rino Büchel, Olivier Feller, Mario Grossniklaus, Jacqueline Badran und Natalie Imboden.
Bild: Bild: SRF

Die drohende Wohnungsknappheit ist im Wahljahr ein Dauerthema. Parteien von links bis rechts haben jedoch unterschiedliche Rezepte dagegen.

Wie die Politik verhindern kann, dass die Schweiz zur Miet-Wüste verkommt, hat das SRF in der «Arena» zum Thema gemacht. Erschienen zur Diskussionsrunde sind zwei Nationalrätinnen und zwei Nationalräte.

Natalie Imboden , Grüne-Nationalrätin Bern, Vorstand Mieterinnen- und Mieterverband Kanton Bern

Jacqueline Badran , SP-Nationalrätin Zürich, Vorstand Schweizerischer Mieterinnen- und Mieterverband

Roland Rino Büchel, SVP-Nationalrat St. Gallen, Vorstand Hauseigentümerverband Schweiz

Olivier Feller, FDP-Nationalrat Waadt, Directeur La Chambre Vaudoise Immobilière

Peter Schmid , Vizepräsident Wohnbaugenossenschaften Schweiz

Reto Schär , Vizepräsident Verband Immobilien Schweiz, Leiter Immobilien Schweiz Migros-Pensionskasse

Einsprachen mühsam für Hauseigentümer

SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel lebt selbst in zwei Mietwohnungen – in Oberriet im Rheintal und in Bundesbern – wie er gegen Ende der Sendung sagt. Doch als Vorstandsmitglied beim Schweizerischen Hauseigentümerverband vertrat er am Freitag die Parolen der Vermieter.

Büchel findet klare Worte, weshalb seiner Meinung nach das Wohnangebot «tatsächlich knapp» wird. Er sagt: «Das Bauen wird immer schwieriger wegen Einsprachen.» Dies führe dazu, dass weniger Baugesuche eingehen würden.

Hinzu komme, dass Baugesuche zu lange dauern würden, bis sie bearbeitet werden, findet der Nationalrat. «Man macht den Leuten, die bauen wollen, das Leben schwer. Und das sind keine bösen Immobilien-Haie, sondern normale Investoren wie Pensionskassen», sagt Büchel.

SVP-Büchel: «Keine bösen Immobilien-Haie»

Darüber kann Grüne-Nationalrätin Natalie Imboden nur den Kopf schütteln. Für sie sei es eindeutig, dass der bürgerliche Politiker «in einer anderen Schweiz» lebe als die Mehrheit der Bevölkerung.

Einsprachen und Baugesuche sind laut der Nationalrätin nicht der Kern des Problems. «Seit 2008 sind die Mieten gestiegen, obwohl der Referenzzinssatz gesunken ist», erklärt Imboden. Der Grund liege für sie darin, dass die Mietzinsanfechtung nicht funktioniere.

Streit um die Miezinsanfechtung

Das Stichwort greift der Waadtländer FDP-Nationalrat Olivier Feller auf. Er sagt, es gebe zwei Thesen, warum nicht mehr Menschen den Anfangsmietzins anfechten würden: «Die erste These ist, dass die Mieter Angst haben, den Mietzins anzufechten, weil die Vermieter Haie und böse Leute sind.»

Feller zuckt mit den Schultern und ergänzt dann: «Unsere These ist, dass die meisten Menschen merken, ob ihr Mietzins dem Markt entspricht oder nicht. Wenn sie finden, es ist vernünftig, akzeptieren sie den Mietpreis und fechten ihn nicht an.»

Jacqueline Badran muss erst einmal einen grossen Schluck Wasser nehmen, um das soeben Gehörte zu verdauen. Dann zerrupft sie Fellers Argumentation in vier Punkten.

Badran erhält vom Publikum Applaus

Sie sagt: «Unser Gesetz legt fest, dass man nur in den ersten 30 Tagen den Mietzins anfechten kann. Das heisst, man muss

Wissen, dass man den Mietzins anfechten kann,

den vorherigen Mietzins kennen, obwohl das nicht in allen Kantonen obligatorisch ist,

einen Anwalt engagieren, und

den Vermieter vor Gericht schleppen.»

Diese vier Punkte seien laut der Nationalrätin der Grund, weshalb nur 0,2 Prozent der Anfangsmietzinsen angefochten werden. Badran resümiert: «So wurde schleichend eine Marktmiete eingeführt, die keiner will.»

Es ist das einzige Mal während der Sendung, dass die Studio-Gäste eine Argumentation mit Applaus anerkennen.

Von missbräuchlichen Renditen

Ein Thema in der «Arena» ist auch, dass ein zu hoher Mietzins bedeutet, dass Vermieter missbräuchliche Renditen einfahren. Obwohl FDP-Nationalrat Olivier Feller sagt, dass eine Rendite gesetzlich kontrolliert sein soll – was Badran fast vom Sockel haut – nennt er zwei Beispiele, bei denen das goutiert wird. «Die Unfallversicherungsanstalt SUVA sowie die Pensionskasse Publica haben übersetzte Renditen von 3,5 Prozent. Aber diese Erträge werden genutzt, um Unfallentschädigungen oder Renten auszuzahlen», erklärt der Politiker.

Nun hebt Natalie Imboden den Finger und erklärt allen Anwesenden, dass Renditen über 3,25 Prozent missbräuchlich seien. «Auch die Suva sollte nicht überhöhte Renditen einfahren», sagt sie. Aber, so fährt die Grüne-Nationalrätin fort: «Der grosse Skandal sind die Immobilienfirmen, welche durchschnittlich 6,5 bis 7 Prozent Rendite machen.»

Lieber Zuschauer als Gladiator

Als Vertreter für die Immobilienfirmen wurde Reto Schär, Vizepräsident des Verbands Immobilien Schweiz und Immobilienchef bei der Migros-Pensionskasse, in die Sendung eingeladen. Doch es erweckte schnell den Eindruck, als wäre er in der «Arena» lieber Zuschauer als Gladiator gewesen. Spätestens, als er von Jacqueline Badran ins Fadenkreuz genommen wurde.

Die SP-Nationalrätin erinnert Schär an ein gemeinsames Treffen, das einige Zeit zurückliege. «Wir waren uns einig, dass man schauen muss, dass das globale, anonyme Kapital aus dem Markt gezogen wird. Denn dieses treibt die Bodenpreise in die Höhe», sagt Badran und schiesst dann den Vogel ab: «Sie sagten mir damals, Frau Badran, sie haben recht, aber ich kann doch nicht.»

Immobilien-Vertreter Reto Schär zögert zunächst und sagt dann: «Das kann ich so überhaupt nicht bestätigen.» Auf Badrans Vorwurf geht er nicht ein.

«Die grösste subventionierte Branche der Schweiz»

Noch mehr ins Schwitzen kommt Schär kurz darauf. Badran erzählt von einem Fall, bei dem eine Immobiliengesellschaft eine Liegenschaft kaufte und allen Mietern kündete, weil die Firma auf die bestehenden Verträge «nicht so eine hohe Bilanzrendite» ausweisen konnte.

«Das ist die katastrophale Logik, die ihr Verband verkörpert», sagt die SP-Politikerin in Richtung Schär. Sie betont, dass bei Wohnbaugenossenschaften Menschen für andere Menschen bauen würden. Im Gegensatz zu Immobilienfirmen, die «bauen würden, um eine möglichst grosse Rendite herauszupressen».

Reto Schär weicht dem Thema aus und sagt, er kenne den Fall nicht und könne ihn darum nicht kommentieren. Aber das akzeptiert Badran nicht. «Sie kennen diese Logik und wissen, was ich meine», sagt sie.

Immobilien-Chef fehlen die Worte

Schär versucht sich daraufhin zu verteidigen und erklärt, dass die Investoren dafür gesorgt hätten, dass überhaupt eine grosse Quantität an Wohnungen entstanden sei. «Investoren haben auch den Anspruch auf eine Rendite», sagt er.

«Sorry, aber müssen wir jetzt Danke sagen, weil sie Wohnungen gebaut haben?», kommt es sofort aus Badran geschossen. Ob er denn wisse, dass die Immobilien-Branche die «grösste subventionierte Branche der Schweiz» sei, fragt sie provokant.

Dem Immobilien-Vertreter fehlen sichtlich die Worte. Er stammelt nur noch: «Nein, nein. Ich verstehe nicht ganz, also irgendwie…» Dann verwirft er die Hände und schaut die Nationalrätin ratlos an. Moderator Mario Grossniklaus fasst zusammen, dass «das wohl nichts mehr wird». Und meint damit unbewusst, was auch für die Wohnpolitik im Parlament gilt.

Denn zum Schluss der «Arena» machten FDP und SVP klar, dass sie auf «Bundesebene keine Lösung» anstreben würden – sondern die Gemeinden und Kantone das Problem der drohenden Wohnungsnot angehen müssten. Die linken Nationalrätinnen verwerfen die Arme, als hätten sie gerade 75 Minuten lang für nichts diskutiert. Und Natalie Imboden sagt treffend: «Wir sind nicht in den Kantonsparlamenten.»