Das Verdikt ist klar: Die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher wollen die Tagesschule definitiv einführen. Der Entscheid der Stimmbevölkerung fiel am Sonntag mit einem Ja-Anteil von 80,8 Prozent deutlich aus. In keinem Kreis stiess das Ansinnen auf Widerstand. Die Stimmbeteiligung lag bei 48,8 Prozent. Die Einführung der Tagesschulen soll bis 2030 vollzogen sein.
Bei seinem Entscheid zeigte sich die Stimmbevölkerung überaus spendabel. Zur Auswahl standen zwei Varianten – jene des Stadtrates und jene des Gemeinderates. Eine Mehrheit aus AL, EVP, GLP, Grüne und SP im Parlament hatte die Vorlage angepasst – sprich noch grosszügiger ausgestaltet. Das Stimmvolk hat sich nun für die teurere Variante des Gemeinderates ausgesprochen.
Bürgerliche Kräfte scheitern mit Referendum
Und diese kostet: Für die Tagesschulen fallen in Zukunft jährliche Betriebskosten von 126 Millionen Franken an. Bei der Variante der Stadtzürcher Regierung wären es 75 Millionen Franken gewesen. Das sind aber nicht die einzigen Ausgaben, die fällig. Hinzukommen einmalig 174 Millionen Franken.
Der Volksentscheid ist auch eine Schlappe für die bürgerlichen Kräfte im Gemeinderat. Zur Abstimmung kam es einzig, weil FDP und SVP das Referendum dagegen ergriffen hatten. Unterstützung erhielten sie von der Mitte, die sich ebenfalls für die kostengünstigere Stadtratsvorlage aussprach. Die SVP lehnte eigentlich beide Varianten ab. Sie befürchtet «überbordende Kosten» und dass Eltern ins System Tagesschule gezwungen werden. Aus Sicht der Partei genügt das bestehende Betreuungsangebot.
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Tagesschulen sind kein neues Phänomen in Zürich. Bereits 2016 hatte der Stadtrat einen Pilotversuch gestartet und so das Vorhaben lanciert. Zur Erklärung: Tagesschulen sind Schulen, an denen die Kinder über Mittag bleiben können, wenn sie nachmittags Schule haben. Sie erhalten ein warmes, ausgewogenes Mittagessen und werden professionell betreut. Das Angebot gilt für Kinder ab dem zweiten Kindergartenjahr, solange sie die Volksschule besuchen – und sofern ihre Eltern sie nicht von der Tagesschule abmelden.
Die Tagesschule verfolgt zwei Ziele: Zum einen sollen sie Eltern helfen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Nach Ansicht der Befürworter ist das auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Zum anderen sollen die Kinder davon profitieren: Die Betreuung möglichst aller über Mittag in der Schule fördere die Chancengerechtigkeit und soziale Durchmischung, so die Grundidee. Dabei stützt sich der Stadtrat auch auf zwei externe Evaluationen, die den Nutzen von Tagesschulen belegen.
Bestätigt sieht sich die Zürcher Regierung auch durch die bisherigen Zahlen. So nehmen in den Pilotschulen fast 90 Prozent und auf der Sekundarstufe rund 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler an den gebundenen Mittagen teil.
Leichtere Abmeldung
Die beiden Varianten unterschieden sich vor allem in der Höhe der Subventionen: Bei der Gemeinderatsvorlage müssen Eltern für das Mittagessen und die Mittagsbetreuung ihrer Kinder 6 Franken bezahlen, bei jener des Stadtrats wären es 9 Franken gewesen. Beide Varianten ermöglichen je nach Elterneinkommen Reduktionen auf 4,50 Franken, die Gemeinderatsversion gar auf 0 Franken.
Die Stadtratsvorlage sah zudem die Möglichkeit vor, Kinder von der Mittagsbetreuung in der Tagesschule abzumelden, jeweils pauschal fürs ganze Schuljahr. Die Regierung wollte die genaue Regelung aber den jeweiligen Schulpflegen überlassen. Die nun beschlossene Gemeinderatsvorlage lässt Abmeldungen semesterweise und auch für einzelne Tage zu. (mts/rwa)