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Auslandschweizer

Berset bei Auslandschweizern

Bundesrat Alain Berset hat in Basel am Auslandschweizerkongress für die schweizerische Konsenskultur als Erfolgsrezept und die Reformfähigkeit mit den gutschweizerischen Kompromissen geworben. Als Paradebeispiel diente ihm die Altersreform 2020.
Auswandern - eine Schweizer Tradition? Inzwischen leben 780'000 Besitzer und Besitzerinnen des roten Passes im Ausland. Bereits zum 95. Mal treffen sie sich zum traditionellen Auslandschweizer-Kongress - diesmal in Basel und mit Bundesrat Alain Berset, der auch über Traditionen sprach.
Bild: KEYSTONE/DOMINIK PLUESS

"Die Schweiz hat keine feste Identität - sie erfindet sich immer wieder neu." Dies gelinge ihr dank ihrer Reformfähigkeit, sagte Berset vor den Delegierten am 95. Jahreskongress der Auslandschweizer-Organisation (ASO) am Samstag. Es liege in der Natur des Kompromisses, dass Reformen "niemanden völlig beglücken".

Wichtigste Tradition: Konsens

Traditionen hielten die vielsprachige Schweiz mit ihren Kulturen zusammen. "Aber wussten Sie, dass der Schweizerische Alpenclub SAC im Bahnhofbuffet Olten gegründet, dass der Ländler zuerst in den Zürcher Stadtkreisen vier und fünf populär wurde, wo heute die Hipster leben, und dass bis zum Weltkrieg die eidgenössischen Schwingfeste in den grossen Städten stattfanden?", fragte Berset.

Deshalb sei die Konsenskultur mit ihren Kompromissen "vielleicht unsere wichtigste lebendige Tradition überhaupt", weil sie das Land zusammenhalte, sagte der Vizepräsident des Bundesrates. Es sei zudem nicht Aufgabe der Politiker, den Menschen vorzuschreiben, wie diese zu leben hätten, sondern umgekehrt.

Das Erbe von Bundesrat Tschudi

Die Altersvorsorge sei dafür ein typisches Beispiel. Berset verwies in seiner Rede auf den baselstädter Bundesrat Hans-Peter Tschudi. Er habe in seiner 13-jährigen Amtszeit vier AHV-Reformen aufgezogen, "weil die Politik sich dem Leben der Menschen anpassen musste".

Der Innenminister zeigte sich in Basel dankbar für die Unterstützung des Rats der Auslandschweizer. Dieser hatte am Freitag mit 80 zu 22 Stimmen die Ja-Parole für die Reform der Altersvorsorge 2020 beschlossen, über die am 24. September abgestimmt wird.

Keine Tradition: Swiss Bank account

Berset versicherte weiter, dass der Bundesrat das Problem mit den Konten für Auslandschweizer in der Schweiz "aufmerksam verfolge" und eine "angemessene Lösung" anstrebe. Berset zeigte zwar Verständnis für die Nöte der Auslandschweizer, die seit der Finanzkrise immer weniger Zugang zu einem Konto bei einer Schweizer Bank bekommen, oder wenn, horrende Gebühren bezahlen müssen. Zugleich signalisierte der Bundesrat Zurückhaltung.

Erst am Mittwoch hatte die Landesregierung eine von einer grossen Mehrheit des Ständerats unterstützte Motion abgelehnt, die für die Auslandschweizerinnen und -schweizer eine Garantie verlangt, dass diese bei einer systemrelevanten Schweizer Bank ein Konto eröffnen dürfen und zu annehmbaren Bedingungen unterhalten können. Eine ähnliche Forderung für die Postfinance, bei der der Bund Mehrheitsaktionärin ist, hatte der Bundesrat schon im Frühling abgelehnt.

Die brennenden Frage Europa

Der Jahreskongress der Auslandschweizer 2017 stand unter dem Motto "Inland - und Auslandschweizer: eine Welt!". In seiner Eröffnungsrede fragte ASO-Präsident Remo Gysin, was Heimat bedeute.

Manche Menschen kämen leicht zu einer Heimat. Es genüge, wenn sie in den betreffenden Staat hineingeboren würden. "In der Schweiz dagegen ist dies nicht so leicht." Der frühere Basler Regierungs- und Nationalrat empfahl deshalb: "Es braucht vielleicht das Selbstverständnis, dass man einmal im Leben auswandern sollte."

780'000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland. Gemäss einer Studie der Forschungsstelle sotomo von 2016 über das Stimm- und Wahlverhalten gibt es kaum Unterschiede beim Wahlprofil zwischen den Inland- und den Auslandschweizern.

Allerdings drücken die Auslandschweizer andere Sorgen: Sie sorgen sich deutlich weniger über die Flüchtlingskrise, dafür umso mehr um die Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa. Viele sind auch direkt betroffen, leben doch sechs von zehn davon in Ländern Europas. (sda)